The Walking Dead. Season 2

(USA 2011; Regie: Ernest R. Dickerson, Bill Gierhart u.a.)

I had to kill him! No, you had not.

Der schmutzige Look der Serie, der sich schon durch das verwendete 16mm-Format einstellt, und der im Netz viel Kritik vor allem unter den Hochglanzfetischisten hervorgerufen hat, führt die Serie auf einer ästhetischen Ebene zu ihrem inhaltlichen Zentrum zurück: zur zerstörten Welt. Die Eigenschaft des Ausgangsmaterials mit seinen Rauschwerten, den immer wieder deutlich sichtbaren Texturen und dem geliebten wie gefürchteten Filmkorn, lässt sich als Allegorie zur postapokalyptischen Welt und zum zerstörten Gesellschaftsgefüge lesen, in welcher der Überlebenskampf der Protagonisten permanent durch die Sinnhaftigkeit ihres Tuns hinterfragt wird.

Im Interview auf studiodaily berichtet Kameramann David Boyd davon, wie mit verschiedenen Filmformaten experimentiert worden sei, 35mm, 16mm, RedOne, usw., und dass man sich schließlich für die etwas härteren und kälteren Bilder des Super 16-Formats entschieden hätte. 'The Walking Dead' wurde mit drei gleichzeitig laufenden Arriflex 416 gedreht, ohne zugewiesene Hierarchien, und dann sei erst später entschieden worden, welche Sequenz aus welcher Einstellung und Position zu verwenden sei.

Und diese Welt, in der sich die Überlebenden aus Staffel 1 (2010) befinden, hat sich als ein worst case scenario bestätigt: die Zombifizierung ist überall. Die Gruppe um Rick Grimes (Andrew Lincoln) und seine Familie, Frau Lori (Sarah Callies) und Sohn Carl, um Cop-Kollege und Liebes-Affäre Shane (Jon Bernthal), um Glenn, Sohn koreanischer Einwanderer, Dale, den weißbärtigen älteren Herren, der das Gewissen der Gruppe symbolisiert, den Drifter Daryl, dessen Bruder in Atlanta auf dem Hausdach zurückgelassen wurde, sowie einiger anderer Figuren, nimmt in Staffel 2 zunächst die Form einer Odyssee an. Man hat den RV wieder in Stand gesetzt sowie einige PKWs fahrbar gemacht. Daryl heizt mit einem schwarzen Chopper, verziert mit SS-Runen auf dem Tank, durch den Film wie in einer Reminiszenz an „Easy Rider“; das Motiv des Fahrens als das eigentliche Freiheitsmoment der Serie. Doch schon nach kurzer Zeit – man ist auf dem Weg ins Fort Benning, einem Militärstützpunkt, wo es Hilfe und so etwas wie eine Zukunft für alle geben soll – bleibt man in einem riesigen Blechchaos inmitten liegen gebliebener Fahrzeuge und ausgebrannter Automobile auf der Interstate stecken. Offensichtlich sind hier schon mehrere Horden der Zombies, genannt „Walker“, durchgezogen. Diese entwickeln sich mittlerweile zu relativ rabiaten Bestien, da so langsam das Futter ausgeht – einige können sich kaum mehr bewegen, sind kurz vor dem Verenden. Da geschieht ein Unglück: die kleine Sophia wird bei einem Angriff im nahe gelegenen Wald von der Gruppe getrennt und geht verloren. Und es ist kurz vor der einbrechenden Dunkelheit nicht mehr möglich, sie wiederzufinden – was naturgemäß etliche Konflikte innerhalb der Gruppe auslöst. Im weiteren Plotverlauf, und da findet die Staffel ihren zentralen Handlungsort, gelangt man zu einem Farmhaus, in dem ein Arzt mit Familie überleben konnte, und wo sich der Gruppe eine unverhoffte Idylle offenbart. Natürlich ein Frieden auf Zeit, denn sowohl die Konflikte innerhalb der Gruppe nehmen zu, insbesondere zwischen Rick und Shane, und auch eine Entscheidung über die zukünftige Route steht an.

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Tuns wird in einzelnen Folgen mehrfach thematisiert und führt zum inhaltlichen Kern der Serie führt: Welche sind die Werte, die es zu erhalten gibt? Ist es in einem Szenario „nach jeder Zivilisation“ überhaupt möglich, sozial zu bleiben? Was macht die Menschlichkeit, die Mitmenschlichkeit aus? Die an grundlegende Probleme des menschlichen Miteinanders rührenden Fragen müssen jedoch unbeantwortet bleiben. Das dichotome Problem des Festhaltens an der moralischen Zivilgesellschaft versus deren Aufgabe zum Zwecke des Überlebens ist letztlich die inhaltliche Crux von „The Walking Dead“, und wird an verschiedenen Exempeln und Konfliktfällen durchgespielt. Da gerät Staffel 2 bisweilen zum Ensemble- oder Problemfilm, denn die Zombiebedrohung tritt für eine Zeitlang in den Hintergrund und das Miteinander der Menschen gerät in den Fokus.

Damit einher geht eine deutliche Verlangsamung der ansonsten rasant gehaltenen Ereignisse. Ganz wunderbar gelingt es den Machern, das Tempo variabel zu halten und Akzente zu setzen; letztlich, um so den Horizont der Serie zu erweitern und sie aus der rein additiven Kettenhaftigkeit der Ereignisse herauszulösen. Ihr tiefere Ebenen hinzuzufügen und Konflikte zu inszenieren, die allgemeingültige sind. Natürlich werden elementare serielle Strukturen beibehalten, erkennbar z.B. am stets verwendeten Cliffhanger, der am Ende einer jeden Folge die Daumenschrauben gehörig zuzudrehen weiß. Der sich einstellende Suchtfaktor der zweiten Staffel ist enorm. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Chaos erneut losbricht – und so viel sei verraten: Die Staffel endet mit einem unglaublich actionreichen Finale, das den grünen Rasen Georgias mit hektoliterweise Blut in ein saftiges Rot färben wird.

Benotung des Films :

Michael Schleeh
The Walking Dead. Season 2
USA 2011 - 540 min.
Regie: Ernest R. Dickerson, Bill Gierhart u.a. - Drehbuch: Charlie Adlard, Frank Darabont, Robert Kirkman u.a. - Produktion: Tom Luse - Musik: Bear McCreary - Verleih: Entertainment One / WVG - Besetzung: Andrew Lincoln, Jon Bernthal, Sarah Wayne Callies, Laurie Holden, Jeffrey DeMunn, Steven Yeun, Chandler Riggs, Norman Reedus
Kinostart (D): 30.11.-0001

DVD-Starttermin (D): 05.11.2012

IMDB-Link: http://www.imdb.de/title/tt1520211/