Ein kleinwüchsiger, aber großmäuliger Kurierfahrer aus Berlin, eine schwangere Blinde aus Paris und ein schweigender, dicker Trinker, ebenfalls von dort und zufällig mit der Blinden bekannt, geraten noch zufälliger gemeinsam auf den Weg nach Berlin. Kurierfahrer Bomber (Tobi B) hat gerade seinen Job verloren. Mit einer Plastik-Armbanduhr als Zeichen der Dankbarkeit bzw. Gleichgültigkeit wurde er auf seine allerletzte Tour geschickt, die ihn eigentlich nach Warschau hätte führen sollen. Bomber indes fuhr lieber nach Paris, um dort mit zwielichtigen Partnern ein für sich günstigeres Geschäft abzuschließen – und scheiterte grandios. Der dicke Bruno (Matthias Scheuring) springt trotz Verständigungsschwierigkeiten als Retter in der Not ein, bietet Bomber einen Schlafplatz und schließt sich ihm auf der Heimreise an, denn er hätte in Berlin noch etwas zu erledigen. So auch die blinde Europe (Stephanie Capetanides): Sie ist schwanger nach einem One-Night-Stand mit einem Typen aus Berlin, der bei der Müllabfuhr arbeiten soll. Immerhin weiß sie den Vornamen und hat ein Foto …
„Puppe, Icke & der Dicke“, das Spielfilmdebüt von Felix Stienz, ist zum Glück längst nicht so plakativ wie der unglücklich gewählte Filmtitel, der an schlimmste deutsche Mainstream-Komikversuche denken lässt, sondern ein auf unkonventionelle Weise nostalgisches und offenbar ziemlich skandinavisch geprägtes Roadmovie. Oft wirkt der Film, als hätte ihn Aki Kaurismäki schon in den frühen 1990er Jahren gedreht – abgesehen vielleicht von den knalligen Farben. Stets werden die eigentümlichen, aber nicht allzu traurigen Gestalten so in der Umgebung angeordnet, dass man sich lästige Schuss-Gegenschuss-Aufnahmen erspart und in besonders gelungenen Momenten sogar an die Tableaus eines Roy Andersson erinnert. Dazu wird punkig musiziert, wobei ab und an der Einfluss von – natürlich – finnischer Polka zu erkennen ist. Dass die Musiker bisweilen ins Bild spazieren und die Ereignisse immer wieder ins Groteske bis Surreale kippen, etwa bei einer völlig irrsinnigen Verwechslungsepisode, macht den Spaß noch größer. Der Film beschwört allen Ernstes sogar noch einmal den Mythos von Berlin als Stadt der schrägen Kreativen und Sehnsuchtsort der Individualisten, was ganz fürchterlich hätte werden können. Doch durch den skurrilen Stil, die liebevoll gestalteten Figuren und die immer wieder die Grenze zum Absurden mindestens touchierenden Situationen wird selbst dieses Berlin-Bild äußerst bekömmlich, weil es dann doch zu abseitig ist, um in irgend einer Weise als hip gelten zu können.
Eindeutige Happy-Ends sind zum Glück nicht vorgesehen, und selbst eine Titelfigur kann mal eben ohne viel Aufheben komplett aus der Geschichte flutschen. „Puppe, Icke und der Dicke“ bleibt verhuscht und spröde, ist aber gerade deshalb liebenswert. Ein paar Szenenwechsel machen es nicht unbedingt leicht, die räumliche Übersicht zu wahren – aber das geht den Protagonisten ja nicht anders und mag sogar Absicht sein. Beim Max-Ophüls-Festival gab es jedenfalls den Publikumspreis für diese durch und durch gelungene Loser-Komödie mit glaubhaftem Indie-Flair und herrlich räudigem Soundtrack.
„Wir sind wie die drei Affen“, sagt der selbstbewusste Bomber einmal mit Blick auf sich und seine Begleiter, ein wenig fassungslos angesichts dieser Erkenntnis. „Mizaru, Kikazaru und Iwazaru“, entgegnet Europe. Sie kennt sich nämlich aus und weiß, dass die vielfach zu Unrecht geschmähten Affen eigentlich Helden sind.