Eigentlich könnte man meinen, dass eine Einer-gegen-Alle-Situation im Leben eines zufällig zum Action-Helden gewordenen Mannes ein ziemlich singuläres Ereignis sein müsste, selbst wenn es um einen Polizisten oder einen verrenteten Geheimagenten geht. Umso herrlicher die Nonchalance, mit der Fortsetzungen für gewöhnlich alle Plausibilitätsbedenken in den Wind schlagen, um einen Protagonisten noch einmal durch die Hölle zu schicken. Manchmal hilft angesichts des kosmischen Zufalls ein bisschen Selbstironie („Die Hard 2“). Noch einfacher ist es natürlich, Rache für die Heldenleistungen in Teil eins zum Antrieb der neuen Handlung zu machen – so geschehen in „96 Hours – Taken 2“.
Die Voraussetzungen sind nicht schlecht, war doch der erste Film unter der Regie von Pierre Morel ein schnörkelloser, überraschend harter und gar nicht mal so bescheuerter Rachethriller. Irgendwann schreckte Ex-Agent Bryan Mills (Liam Neeson) nicht einmal mehr davor zurück, Unschuldigen zu schaden, um seine Tochter aus den Händen einer albanischen Menschenschlepperbande zu befreien. Die ganze schöne Rache-Gewalt machte plötzlich gar keinen Spaß mehr, und die zuvor immer wieder auch auf humorvolle Weise präsentierte, latent paranoide Hauptfigur verlor endgültig die Bodenhaftung. In „Taken 2“ indes darf die Paranoia wieder ironisch daherkommen, und unter des Helden Hand leiden nur noch jene, die es sich redlich verdient haben. Auch wenn es womöglich selbst im fiktiven Zusammenhang nicht ganz schicklich ist, die körperliche Unversehrtheit Unschuldiger zu bedauern: Schade drum.
Es geht auch wieder gegen üble Gestalten: Der mächtige Vater eines Schleppers aus dem ersten Teil will sich mit seiner wilden Bande an Mills rächen. Diesmal wird aber nicht dessen Tochter Kim (Maggie Grace) entführt, sondern gleich er selbst, zusammen mit seiner Frau Lenore (Famke Janssen). Kim muss nun ihre Eltern befreien und erhält dazu telefonische Anleitung von ihrem in derlei Dingen erfahrenen Vater. Der ist zum Glück bald ebenfalls wieder entfesselt und kann wie gewohnt zur Tat schreiten.
Während Mabrouk El Mechri („JCVD“) kürzlich mit „The Cold Light of Day“ grandios scheitern musste, weil er ein unfassbar formelhaftes Drehbuch zu verfilmen hatte, dessen Figuren kaum interessierten und erst recht nicht dauerten, steht Regisseur Olivier Megaton ein bisschen besser da, weil seine Autoren Luc Besson – der freilich auch produzierte – und Robert Mark Kamen die Suche nach den Entführten halbwegs originell, wie eine Schnitzeljagd zu gestalten versuchen. Dass sie dabei oft übers Ziel hinaus schießen und eine ordentliche Portion unfreiwillige Komik beisteuern, kommt dem Vergnügen durchaus zupass, etwa wenn Kim so folgen- wie bedenkenlos Granaten durch Istanbul wirft, damit Papa anhand der Explosionsgeräusche ihre Position orten und ihr den Weg zu sich weisen kann.
Was Olivier Megaton leider überhaupt nicht gelingt, ist eine vernünftige Actioninszenierung. Die Montage macht selbst die stimmungsvollsten Schauplätze unkenntlich, was umso mehr auffällt, wenn man den neuen Bond-Film „Skyfall“ zum Vergleich heranzieht. Der nämlich teilt sich einige Drehorte mit „Taken 2“ und macht dabei nicht nur eine viel bessere, sondern überhaupt eine Figur, wo „Taken 2“ nur Wind macht. In rekordverdächtigem Stakkato prasseln die Einstellungen herein. Drei Schnitte pro Sekunde werden zum Standard. Besonders enttäuschend gerät ein Handgefecht zwischen Neeson und einem Bösewicht, in dem kein Bild zum anderen passt und kein einziger nachvollziehbarer Bewegungsablauf sich aus dem Geflacker schält. Action fand offenbar lediglich im Schneideraum statt, nicht am Set.
So handelt es sich bei „96 Hours – Taken 2“ um einen ziemlich unterdurchschnittlichen Vertreter jenes faden, zeitgenössischen Actionkinos, das Action eher durch schnelle Schnitte simuliert als mit kinetischen Mitteln inszeniert, und gegen den sich originelle, klassisch inszenierte Actionunterhaltung wie David Koepps „Premium Rush“ wie Balsam ausnimmt. Dass der Film aber ein ziemlicher Flop geworden ist, während „Taken 2“ ordentlich Kasse macht, ist eine andere, traurige Geschichte.