„Niiiiiina!“ – „Caaaaaarolyn!“- Kinderstimmen im Dunkel. Kleine Lichtkegel von Helmlämpchen beleuchten einen Schneehang; das ist der winterliche Schulweg einer Handvoll Kinder aus der „UNESCO Biosphäre Entlebuch“, auch genannt „Napf“. Zehn Kilometer zu Fuß und mit der Seilbahn, welches andere Kind hat schon einen so spannenden Schulweg?
Ein Jahr lang, von Winter zu Winter, hat die Filmemacherin und Autorin Alice Schmid „Die Kinder vom Napf“ begleitet, auf dem Schulweg, in der Schule, auf der Wiese, bei den Hühnern, Kühen, Ziegen. Beim Musizieren, beim Spielen und beim Arbeiten. Zwischendurch erzählen die Kinder (auf Schwyzerdütsch), was sie Spannendes erleben, berichten über den Habicht, der die Hühner frisst und den Wolf, der die Schafe reißt. Die Tonspur (Musik und Sounddesign: Daniel Almada) tut ein Übriges: Ein unheimliches Geheul irgendwo zwischen Note und Tierlaut ertönt, wenn die Sprache auf den Wolf kommt, ein finsteres Grollen lässt die Lautsprecher erbeben, sobald auch nur eine Wolke sich über die Almen schiebt.
Mikrofontechnisch ist hier das Leistungsstärkste aufgefahren: wir hören die Kühe schmatzen, den Schnee knirschen, den Wind (die Kinder sagen: das sind die Geister!) sausen, dass es eine Art ist. Ununterscheidbar, ob das Gehörte noch O-Ton oder schon künstlerische Überhöhung darstellt, wird klar: Hier geht‘s um Stimmungskreation und wo die Bilder manches Mal nur halb befriedigen, da säuselt, rauscht und muht das Horn vom Score besser als jede Kuh das könnte.
„Caaarolyn!“ – „Niiiiina“ – Auch im Hochsommer illustrieren noch einmal die schön klar und kindlich gerufenen Namen die Filmessay-Romanze im Hochalpenidyll auf grüner Alm. Ein Schelm, der sich da nicht an die rezeptierende Hand genommen fühlte. Aus welchen Gründen auch immer, bei aller pittoresker Malerei von Idyll und raunender Natur, ein wenig im Abseits, obschon im deklarierten Zentrum, bleiben die Kinder, bei denen wir auch nach 85 Minuten immer noch nicht genau wissen, wer denn nun Carolyn und Nina sind, und wer und was ihre Eltern sind und machen – oder gar nur, wie eigentlich ein ganz normaler Tag bei ihnen abläuft.
Momentaufnahmen, Stimmungsbilder haben mehr Gewicht als banale oder chronologische oder gar deskriptive Alltagsbilder bei den „Kindern vom Napf“, doch sie übermalen nicht, dass auch in entlegenen schweizer Bergdörfern nur mit Wasser gekocht und modernste Technik verwandt wird: Computer, Keyboard und Hightech-Mähmaschine sind Alltagsutensilien, und eine überpräsente Tonspur übertönt nicht, dass auch eine Kindheit im Napf eine ziemlich normale Kindheit sein muss. Nur eben mit ein wenig Heidi-Surrounding.