Eines Tages, in der Idylle einer alpinen Bergwelt, die fast greifbar scheint, wird die namenlose Erzählerin von einer unsichtbaren Wand umschlossen und vom Rest der Welt getrennt. Ein Hund bleibt ihr als Ansprechpartner, ein fest abgesteckter Radius als Lebensumfeld – und ein Zurückgeworfensein auf die eigene, nackte Existenz. Marlen Haushofers Roman, der in einer feministischen Lesart zum Klassiker avancierte, bildet auf den ersten Blick eine einzige Negation des Kinos: ein Stillstand, der den bewegten Bildern entgegentritt, eine Introspektion, die kaum dialogisch aufzubereiten ist. Eine Off-Stimme als Umweg, der oftmals nur als hilflose Krücke genutzt wird, erweist sich hier allerdings als richtige Entscheidung, des Textes Herr zu werden. Martina Gedecks emotionslose Intonation ermöglicht mehr noch als die sorgfältig komponierten Bilder einen Zugang zu einer hermetischen Welt, die in all ihrer Schönheit schroff und abweisend daliegt. Die Frau verfällt nicht dem Wahnsinn, sondern erträgt ihr Schicksal mit einem staunenswerten Gleichmut, der ihre Entrücktheit nur unterstreicht und vor allem kaum zu beantwortende Fragen impliziert: Was bedeutet Freiheit, innere wie äußere? Müssen beide kongruent sein, um sogenannte Erfüllung zu erlangen?
Doch auch jenseits – oder besser diesseits – dieser metaphysischen Ebene ist Julian Roman Pölsler mit seiner durchdachten Adaption der „Wand“ die Quadratur des Kreises geglückt – einen schleichend unbehaglichen Film voller Spannungsbögen zu kreieren, die zu keiner Zeit als Blendwerk durch die Geschichte irrlichtern, sondern das mysteriöse Faszinosum der Ausgangssituation konsequent steigern. Martina Gedeck, zuletzt oftmals und durchaus zu Recht für ihre Rollenwahl gescholten, kann in dieser One-Woman-Show die ganze Bandbreite ihres facettenreichen Spiels aufbieten, das sie zu einer der interessantesten Darstellerinnen ihrer Generation machte. Mit ihrer Stimme, ihrem ganzen Auftreten verkörpert sie eine Frau, die hinter der Wand nicht gramgebeugt langsam verblasst, sondern möglicherweise gar ihre Bestimmung findet.