Die Werbung zu Jan Hafts Natur-Dokumentarfilm „Das grüne Wunder – Unser Wald“ verkündet produktionstechnische Superlative: „Sechs Jahre Drehzeit, 70 Drehorte, 100 Nächte im Tarnzelt, 250 Stunden Rohmaterial, Pirschgänge mit der Kamera, neueste Filmtechnik.“ Tatsächlich sieht man das dem eindrucksvoll fotografierten Film in jedem Augenblick an. Mit Makroaufnahmen, extremer Zeitlupe und Zeitraffer setzen der erfahrene Naturfilmer Haft und sein Ko-Kameramann Kay Ziesenhenne die verborgene Tier- und Pflanzenwelt des mitteleuropäischen Waldes ins Bild und machen sie so auf bislang nie gesehene Weise sichtbar. Knospen und Blüten brechen in Sekundenbruchteilen hervor, Ameisen verspritzen ihre Säure zur Abwehr von Feinden, eine Erdhummel vertreibt eine Maus aus ihrer Behausung und Hirschkäfermännchen streiten sich um ein Weibchen. Daneben nehmen wir Teil an der berührenden Aufzucht von Fuchs-Welpen und Frischlingen oder wohnen jenen großen Erschütterungen bei, die zum Beispiel von kleinen Regentropfen ausgelöst werden können.
Bei all dem ist ein Hang zur Überästhetisierung und zur Steigerung des stimmungsvoll fotografierten Bildes ins faszinierend Wundersame unverkennbar. Unterstützt wird das noch durch ein Sounddesign, das die natürlichen Geräusche akustisch verstärkt und durch seine musikalische Untermalung das Gezeigte theatralisiert. Da tanzen dann Blümchen, öffnen sich Blüten im Walzertakt oder trollen sich die Frischlinge zu einem luftigen Flöten-Thema. Solche Anthropomorphisierung, die noch durch den metaphernreichen, von Schauspieler Benno Fürmann mit warmer Stimme gesprochenen Text akzentuiert wird, hat natürlich weniger mit Naturalismus oder Wissenschaftlichkeit als vielmehr mit poetischer Überhöhung zu tun. Suggestiv lenkt der Film die Gefühle der Zuschauer, keine Brüche oder Irritationen stören sein ästhetisches Gleichgewicht. Jan Haft produziert hier Überwältigungskino, dessen emotionalen Einflüsterungen man sich, selbst wenn man wollte, kaum entziehen kann.
Inhaltlich beschreibt sein Film „Das grüne Wunder“ den Wald einmal nicht als mythischen Ort, sondern „als Universum für sich“ und als verborgene Welt, deren vielfältiges Leben es zu entdecken und zu bewahren gilt. Im Wechsel der Jahreszeiten spürt Haft ihren Geheimnissen nach und zeigt dabei den Wald als planvoll eingerichteten, funktionierenden Organismus, dessen geordnete Schichten ineinandergreifen und in einem permanenten Austausch stehen. Nachdenklich folgt er den natürlichen Kreisläufen des Wachsens und Vergehens, des Fressens und Gefressen-Werdens als „fließende Übergänge zwischen Leben und Tod“. Und er plädiert mit Nachdruck für den offenen, lichten Wald, den es früher einmal gab und der, so Jan Haft, die Artenvielfalt dieses einmaligen Lebensraums erst ermögliche und garantiere.