Die Zeiten haben sich geändert, doch die Erinnerung bleibt. Der alte Schuhputzer Chico nährt sich davon. Im Havanna der Gegenwart, das mit der Pflicht zur Anpassung politisch hausieren geht, öffnet er das Fenster seiner kleinen Wohnung für einen langen Blick in die Vergangenheit. Das Radio spielt „Melodien von gestern“: „Bésame mucho“ – Küss‘ mich, küss mich ganz fest!“, lauten die Zauberworte für den Eintritt in die Imagination. Chico selbst ist zu hören, der in den 1940er und 50er Jahren ein gefeierter Jazzpianist war. Inspiriert ist diese Figur von dem kubanischen Pianisten, Bandleader und Komponisten Bebo Valdés, dem das kreative Team um den spanischen Filmemacher Fernando Trueba, Zeichner Javier Mariscal sowie dessen Bruder, dem Regisseur Tono Errando, ihren zwischen hitziger Leidenschaft und Nostalgie changierenden Animationsfilm „Chico & Rita“ gewidmet haben.
In den Clubs von Havanna, wo sich reiche Amerikaner vergnügen und die Einheimischen die Hintereingänge benutzen müssen, dringt aus der energiegeladenen Musik und den schwungvollen Tänzen pure Lebenslust. Unterbrochen werden die treibenden Beats nur von jenen romantischen Balladen, die die schöne Rita singt und mit denen sie die Herzen entflammt. Im dynamischen Wechsel der verschattet gezeichneten Blicke ist es kurz darauf um Chico geschehen. Eine große, schicksalhafte und unsterbliche Liebe nimmt ihren Anfang. Ihre Geschichte, flankiert von Eifersucht, Missverständnissen und Intrigen, wechselt konsequent zwischen Anziehung und Abstoßung und handelt insofern immer wieder vom Suchen und Finden der sich verfehlenden Liebenden.
„Chico & Rita ist stimmungsvoll und melodramatisch, erotisch und kitschig und manchmal auch rasant. Vor allem ist der Film aber eine Hommage an eine Hochphase des Jazz, als Bebop und lateinamerikanische Rhythmen eine wilde, musikalisch ausschweifende Beziehung eingingen. So folgt Chico nach einem eher unfreiwilligen Aushilfsjob in Woody Hermans Orchestra, der legendären „Herd“, wo er sich mit Noten von Igor Strawinsky konfrontiert sieht, seiner geliebten Rita ins winterlich-graue New York, lernt dort den Perkussionisten Chano Pozo kennen, der mit Charlie Parker spielt und tourt kurz darauf mit Dizzy Gillespie durch Europa. Derweil entwickelt sich Rita zum Filmstar und singt „Love For Sale“. Später, bei einem Auftritt von Chico an der Seite des Saxophonisten Ben Webster im Village Vanguard, werden sich die beiden wiederfinden. „Meine Hoffnung ist auf die Vergangenheit gerichtet“, sagt Rita einmal. In gewisser Weise gilt das auch für Chico und den ganzen Film, auch wenn dieser mit seinen Protagonisten am Ende in der Gegenwart ankommt.