Ein junger Mann aus Deutschland (Alexander Fehling), namenlos, auf einer Reise durch ein afrikanisches Land, ebenfalls namenlos. Er benutzt eine Fähre und einen Mietwagen. Bei einem Unwetter in der Nacht ist durch die Windschutzscheibe fast nichts mehr zu erkennen, dann plötzlich ganz nah Kühe, eine scharfe Bremsung und ein scharfer Schnitt, so wie wenn man sich die Augen zuhält.
Ein neuer Tag: Der Deutsche liegt ziemlich relaxed auf der Kühlerhaube und raucht. Keine toten Kühe und kein toter Deutscher. Nicht mal eine Beule im Rover. Situation folgt auf Situation. War da eine Zäsur oder nicht? Der Deutsche, ohne Auto jetzt, wird von einem alten Afrikaner, namenlos, auf einem Einbaum durch ein ausgedehntes namenloses Flussdelta, Ziel unbekannt, gesteuert. Der Deutsche wirkt müde und ziellos, er verschläft die halbe Fahrt, der Fährmann sagt am Lagerfeuer: Der Elefant kommt zu dir, um dich zu töten.
Am nächsten Morgen ist der Alte tot und der Junge ratlos. Wie soll er den Weg zurück finden, wenn er auf dem Boot noch nicht einmal das Gleichgewicht halten kann?
Was nun überwiegt, sind die Geräusche der Gefahr und die Geräusche des ausgedehnten Flussdeltas. Der Deutsche kann an seiner Angst zugrunde gehen, er kann sich aber auch dem langsamen Strom überantworten, so wie man sich seinem Schicksal ergibt.
Für einen Film wie „Der Fluss war einst ein Mensch“ stehen derzeit zwei Genretypisierungen zur Verfügung. Zum einen passt der Film zu Filmen wie „The Sixth Sense“ von Night S. Shyalaman, „Alice“ von Claude Chabrol oder „Jacob’s Ladder“ von Adrian Lyne, er ist also als eine Art metaphysischer Psychothriller les- bzw. erlebbar. Zum anderen, je nach Auslegung, passt das Langfilmdebüt von Jan Zabeil auch in die Reihe jener neueren zivilisationskritischen Filme, die von der Entfremdung des westlichen Menschen berichten, indem sie ihn in einer urwüchsigen und gleichgültigen Natur aussetzen. Hier könnte man an Filme wie Gus Van Sants „Gerry“ denken, gar an „The Blair Witch Project“ aber auch an jene die Natur mystifizierenden Filme eines Weerasethakul, in denen die Natur zwar als mächtig und allgegenwärtig erscheint, aber wo aus ihrer Allmacht (und ihrer Geisterwelt) auch Heilung und Sinnzusammenhang erwachsen kann.
Ein junges Beispiel für einen deutschen Film, der eher für die (afrikanische) Natur als für die (westliche) Kultur votiert, war „Schlafkrankheit“ von Ulrich Köhler. Nah daran und sichtlich geprägt von „Dead Man“ von Jim Jarmusch entwickelt Zabeil eine Metapher von der (Über-)Lebensunfähigkeit eines europäischen Zeitgenossen angesichts einer allumfassenden Natur, mit und in der er nichts anfangen kann. Die Natur in „Der Fluss war einst ein Mensch“ ist nahezu identisch mit dem darin Untergehen, mit dem Tod. Solch Metaphorik lässt nicht viel zu rätseln übrig.
Bereits das mutige Konzept der weitgehend improvisierten Dreharbeiten, sich mit einem aus nur vier Leuten bestehenden Team in (ein auch im Abspann des Filmes nicht näher bezeichnetes) afrikanisches Land und mehr oder weniger ungeschützt in dessen Gefahren (Skorpione im Zelt, Flusspferde im Fluss) zu begeben, um sowohl handlungstechnisch als auch realiter alles auf sich zukommen zu lassen, ist programmatisch. Natürlich wird so der Weg, nämlich der Ort und seine Charakteristika, zum Ziel und deshalb verbringt der Film die Hälfte seiner Zeit schweigend bei seinem teils skeptischen, teils „leidenden“, teils panischen und teils dreingegebenen Protagonisten (wofür dem Hauptdarsteller weniger Mimik als nötig zur Verfügung steht) und guckt und lauscht und fühlt die geheimnisvolle afrikanische Natur, er meditiert quasi das weg, was der Junge wegleidet.
Was der junge Mann nun eigentlich vorhatte auf dem fremden Kontinent, ist dabei so wenig wichtig wie Land und z.B. Leute, die, wie auch er und alles andere hier, zum Exemplarischen erhoben und im Abspann nur als „People of the Village' bezeichnet werden. Der Film, seine Figuren, die Handlung und der Ort Afrika, offenbar alles im Dienst einer Mystifikation. Es bleibt das zwiespältige Gefühl, zwar spürbar mitten drin gewesen zu sein und weitab von jeder Zivilisation, zugleich aber, dass hier ein Kontinent zusammenschnurrt zum Zweck einer ziemlich eskapistischen Romantisierung von Wildnis: sei sie nun positiv oder negativ besetzt – Hauptsache, sie ist wilder als das degenerierte Europa.
In Köhlers Afrikafilm „Schlafkrankheit“ war Afrika gehaltvoller, widersprüchlicher, und daher plausibler. Aber „Der Fluss war einst ein Mensch“ ist ja, wie gesagt und offenbar, auch nur ein Film über diese jungen Deutschen, die vor lauter Coolness nicht mal Autofahren können.