In Buenos Aires leben deutsche Emigranten Tür an Tür, Juden (aus den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg) und Nazis (nach 1945), und sie wahren Distanz. Der Film konzentriert sich auf die in Chile geborenen Kinder: auf die Jüdin Sulamit (Celeste Cid) und den SS-Obersturmbannführersohn Friedrich (Max Riemelt). Wir sehen die beiden zum Missfallen der jeweiligen Eltern zusammen spielen, unschuldige Küsschen tauschen, pubertieren, ein Paar werden, sich trennen, zwischen Argentinien und Frankfurt dank des DAAD hinundherfliegen und schließlich zusammenfinden.
„Der deutsche Freund“ ist ein Romeo-und-Julia-Plot mit Happyend – und im allseits bekannten TV-Format, bunt, gewaltfrei und kitschig. Das ist umso auffälliger, weil es im Film um eine Geschichte von Gewalt und politischem Kampf geht. Jeanine Meerapfel (Regie und Buch) versichert, sie habe viel Autobiographisches in den Film eingebracht. Ich respektiere die Autorin („Malou“, 1980). Und ich finde es schade, dass die guten Absichten jetzt im Fernsehformat versackt sind. In den Filmbildern finden sich allenfalls Spuren wieder von dem, was die Dialoge beabsichtigen, nämlich in die Liebesgeschichte sowohl die Geschichte Südamerikas (Militärjunta, Allende) als auch die der BRD (68er Jahre, Dutschke) einzuhängen. Schön, das Ho, Ho, Ho Chi Minh wird sekundenlang als Dokument eingeblendet und unmittelbar danach noch mal als Reenactment.
Was transportiert wird, ist nur eine Peinlichkeit mehr. Politisch Lied, garstig Lied. Zur Beruhigung des Zuschauers und selbstredend um den Quoten Genüge zu tun, schwelgt die Kamera in der Landschaft Patagoniens, und kammermusikalische Harmonien versichern uns, dass alles gut ausgeht. Und es geht gut aus. Das gelingt nur, so die explizite Botschaft, wenn der deutsche Freund sein politisches Engagement aufgibt (Studentenbewegung, aktiver Kampf für die dritte Welt) und sich voll auf die geliebte Sulamit konzentriert. In der herrlichen Landschaft Patagoniens (sagte ich das schon?) ist er dann so weit. Er schwört in wohl gesetzten Worten allem Politischem ab und zieht mit Sulamit mitten in der Einöde in ein verfallenes, aber hochgradig romantisches Haus, die zwei nur für sich.
Die Welt drumherum gibt es nicht mehr. Hach, ist das schön. Schön kitschig. Schöne heile Welt. In der jüngsten Generation ist das Unheil von Auschwitz vergessen (und vergeben?), das politische Engagement sowieso. Die unheilvolle Nachkriegsgeschichte ist abgeschafft und das Biedermeier etabliert. – Ich wünsche den beiden eine satte Beziehungskrise.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 11/2012