Gleich zu Beginn ist auf der Tonspur zu hören, was dem Film den Titel gab: das „Knistern der Zeit“, eingeprägt einer alten Vinyl-Schallplatte, die durch häufiges Abspielen individuelle Spuren und Kratzer bekommen hat. Für den Filmemacher und Theaterkünstler Christoph Schlingensief, den Sibylle Dahrendorf bei seiner Projektarbeit für ein Operndorf in Burkina Faso filmisch begleitet, geht es gerade um diesen geheimen Schatz, der sich als vergehende Zeit und lebendiger Austausch von Beziehungen in den Dingen manifestiert. Im Sinne seines erweiterten Kunstbegriffs, der sich wiederum auf Joseph Beuys‘ Soziale Plastik bezieht, ist es deshalb die menschliche „Unschärfe“, die Leben und Kunst, Natur und Spiritualität zu einem Ganzen miteinander verbindet. In einem permanenten Prozess des Wachstums, der Metamorphose und Transformation, der Fehler ebenso integriert wie das Chaos der Unberechenbarkeit und Spontaneität, entstehen so jene multimedialen Gesamtkunstwerke, in denen Schlingensief die Grenzen ständig verschiebt. „Der muss alles verrühren“, sagt in diesem Sinne einmal der Architekt Diébédo Francis Kéré über seinen Weggefährten.
Übertragen auf seine Suche nach einem geeigneten Ort für das geplante Operndorf in Afrika, die Christoph Schlingensief im Mai 2009 zusammen mit Kéré nach Burkina Faso führt, bedeutet dies vor allem, dass dieser Platz lebendige Austauschprozesse nach allen Seiten ermöglichen müsste. Insofern soll das anvisierte Dorf zu einer „multifunktionalen Begegnungsstätte“ werden, die wie das Leben selbst ist und neben einer Bühne auch eine Schule, eine Klinik und einen Sportplatz integriert. Als er diesen Ort schließlich in der weiten Savannen-Landschaft unweit von Ouagadougou findet, gibt es dort weder Wasser noch Strom. Doch nach Unterredungen mit Politikern, der Grundsteinlegung am 8. Februar 2010 und dem Eintreffen der ersten Container inklusive eines Generators beginnt das Projekt im Sinne seines Erfinders wie ein „lebendes Organ“ zu wachsen und dabei selbst zu einem Teil jener prozesshaften, grenzüberschreitenden Kunst zu werden, die für Schlingensief „Balsam für die Seele“ ist.
Sibylle Dahrendorfs zwischen den Zeiten, Orten und Bildformaten mäandernder Film begleitet dieses Projekt in seinen Planungs- und Bauphasen, seiner Stagnation nach Christoph Schlingensiefs Tod am 21.8.2010 bis zur feierlichen Schuleröffnung im Oktober 2011 durch dessen Ehefrau Aino Laberenz. Dabei entsteht nicht nur ein intimes Portrait des Künstlers, der mit seiner positiven Energie und sprudelnden Kraft Menschen bewegt und begeistert, sondern auch das Dokument eines nicht zuletzt künstlerischen Austauschs zwischen Leben, Krankheit und Tod. Schlingensiefs Arbeit an seiner afrikanischen Oper „Via Intolleranza II“, die in Ausschnitten zu sehen ist, gibt darüber ebenso Auskunft, wie seine Hinwendung zu religiösen Fragen. Damit verbunden ist eine tief empfundene Dankbarkeit für das Ererbte, das Menschen und Künstler, so Schlingensief, über das Leben hinaus für die Zukunft verpflichte. Sein Projekt lebt also weiter.