Der nicht mehr ganz neue Trend zum epischen Erzählen im Blockbusterkino macht es den Filmemachern ja nicht gerade leicht. Opulente Vorlagen sind schwer zu bändigen und resultieren meist in ausgedehnten Mammutwerken. Und weil’s gefällt und das entsprechende Publikum ohnehin an nichts Geringerem als mindestens Trilogien interessiert zu sein scheint, werden immer häufiger Ideen, die früher einen flotten B-Film abgegeben hätten, von vornherein (und ohne den Erfolg abzuwarten) auf Fortsetzbarkeit getrimmt.
Nicht immer lässt sich mit Bestimmtheit sagen, was hinter dem Drang zur ausufernden Erzählweise steckt: finanzielle Gründe, Respekt vor dem geschriebenen Wort oder das Unvermögen, mit filmischen Mitteln zu verdichten. Manchen Regisseuren jedenfalls nimmt man es eher ab als anderen, dass sie es schrecklich gut meinen mit der Ausführlichkeit. [Wenn Peter Jackson, dessen „Herr der Ringe“ sich noch auf eine dreigeteilte Vorlage berufen konnte, nun auch „The Hobbit“ mit Hilfe von Nachdrehs zu drei (mutmaßlich überlangen) Filmen zerdehnen will, so dürften dahinter nicht nur wirtschaftliche Überlegungen stecken. Jackson glaubt vermutlich wirklich, so richtig viel erzählen zu müssen. Was aber so eine späte Entscheidung über sein bisheriges Konzept und sein Verständnis von Dramaturgie zumindest nahe legt, steht auf einem anderen Blatt.]
Auch in der Superheldenfilmproduktion muss man viel beachten, wenn man allen Erwartungen gerecht werden will. Schließlich wurden schon längst zahllose Varianten durchgespielt, und die verschiedenen Paralleluniversen der Comicvorlagen bieten unzählige Möglichkeiten. Da kann man als Fan wie als Filmemacher schon mal den Überblick verlieren. Christopher Nolan ist beides, und es bleibt spekulative Vermutung, dass ihm das eine beim anderen in die Quere gekommen sein könnte. Zum Abschluss seiner realistisch gemeinten Batman-Trilogie erzählt er jedenfalls gleichzeitig viel zu viel und zu wenig.
Als eine Terroristengruppe auf ungewöhnliche Weise ein Flugzeug zum Absturz bringt, ist die Erwartung noch groß. Die Exposition nämlich empfiehlt Nolan einmal mehr als Regisseur für einen Bond-Film oder einen vergleichbar klassisch inszenierten Action-Kracher, obwohl die Montage es gegen Ende mit der Übersichtlichkeit nicht mehr so genau nimmt. Bald aber entfaltet sich eine Geschichte, die ihren angemessenen Rahmen wohl in einer mehrstündigen TV-Miniserie hätte finden müssen. Das Drehbuch von Christopher und Jonathan Nolan wird zunehmend elliptisch – wie manche Fernsehserien beim Abschluss großer Handlungsbögen –, lässt aber ausgerechnet die spannendsten Aspekte der Geschichte aus und zu viele Fragen offen. Über die entstehenden Plotlöcher wischt die schnelle Montage hinweg, aber wehe, man atmet kurz durch und denkt über das Gezeigte nach.
Die Bevölkerung Gothams spielt kaum eine Rolle, obwohl der Film von einer monatelangen Belagerung der Stadt erzählt. Der Konflikt aber wird bloß über Stellvertreter ausgetragen – hier die Bösen, da die Vertreter von Recht und Gesetz, die zwar korrupt und feige sein mögen, aber im rechten Moment über sich hinauswachsen. Zumal es ja gegen Terroristen geht, deren Ziel so wischiwaschi ist wie die Haltung des Films in seinem Bemühen um Ambivalenz. Für Blicke zur Seite, die ein bisschen Alltag hätten vermitteln können, bleibt jedenfalls leider keine Zeit. So konform diese Feier der ordnenden Kraft der Exekutive und ihrer Helden letztlich ausfällt, so mutlos und konfektioniert wirkt auch die Inszenierung.
Vermeintlich überraschende Wendungen oder Erkenntnisse der Figuren zum Beispiel müssen so lange erklärt und durch Rückblenden und Worte mehrfach abgesichert werden, bis vom behaupteten gritty realism nicht mehr viel übrig ist, weil jedes Zugeständnis an den kleinsten gemeinsamen Nenner auf arg durchschaubare Weise eben doch nur den üblichen Blockbuster-Mechanismen folgt. Auch Emotionen werden allzu oft von unterstützenden Worten begleitet.
Durch einen interessanten (aber vorhersehbaren) Kniff soll man am Ende schließlich noch das Gefühl bekommen, jetzt könne eine ganz neue Geschichte losgehen. Ausgerechnet die aber hätte man lieber noch innerhalb dieses Film erzählt bekommen, etwa anstelle der unsinnigen Nebenplots über heldenhafte Polizisten oder leichtgläubige Untergrundkämpfer. Durchaus von Interesse wäre auch die Information gewesen, was Tausende von Ordnungshütern, die wochenlang unter der Erde eingeschlossen sind, den ganzen Tag so treiben.
Sollte Christopher Nolan in Zukunft wirklich einen James-Bond-Film drehen dürfen, bleibt zu hoffen, dass jemand anderes ihm ein gutes Drehbuch schreibt, das sich von allem Ballast der multiplen Möglichkeiten, der so eine populäre Figur begleitet, frei macht. Was dagegen Batman angeht, kann man sich damit trösten, dass der beste Film zum dunklen Ritter schon von Tim Burton gedreht wurde – nicht minder abgründig, dabei aber fähig zur Selbstironie. Vor ziemlich genau 20 Jahren erschien „Batman Returns“ als perfektes Sequel und idealer Mittelteil einer Trilogie, die man sich indes, mangels Vollendung, bis heute selber zu Ende träumen muss.