Was hat die Großaufnahme einer Schnecke im Vordergrund des Bildes mit dem verbissenen Wettrennen zweier Golfmobils (15 km/h) im Hintergrund zu tun, das sich vor der Kulisse eines gigantischen Industrieparks abspielt? Konkurrenzkämpfe und heimliche Leidenschaften, die Ordnung des Lebens und die Unordnung der Triebe bestimmen das obsessive Verhalten der Figuren in Pascal Rabatés Film „Holidays by the Sea“. Und weil seine stumme Komödie im französischen Original den etwas paradoxen, aber politisch anspielungsreichen Titel „Ni à vendre ni à louer“ („Weder zu kaufen noch zu vermieten') trägt, wirkt das versprengte Häufchen von Urlaubern, als sei es in einer merkwürdig entvölkerten Nachsaison gelandet. Am atlantischen Strand ist jedenfalls nichts los, im Hotel „L’Océan“ tummeln sich nur vereinzelt Gäste und im „Supermarché Diagonal“ sind viele Regale leer oder nur spärlich gefüllt, während sein Kassierer mit Lineal und Bleistift den Strichcode auf die Produkte zeichnet.
In den skurrilen Verhaltensweisen der Protagonisten, die Rabaté ins Groteske verzerrt oder ironisch überhöht, lassen sich immer wieder allzu menschliche Wahrheiten entdecken. Dabei lebt der Film des französischen Zeichners vor allem von seinem visuellen, ebenso verspielten wie verrückten Einfallsreichtum. Die Staffelung des Bildraums, seine Erweiterung durch das Wechselspiel von On und Off, Großaufnahme und Totale sowie die episodische Struktur der einzelnen Geschichten, die sich mitunter berühren oder überschneiden, erzeugen immer wieder einen visuellen, geradezu surrealen Witz und nicht selten schwarzen Humor. In einer Art erzählerischem Staffellauf und unter Verzicht auf Dialoge konzentriert sich Pascal Rabaté dabei auf den nackten Kern von Handlungen. In all dem ist sein Film ästhetisch verwandt mit den Arbeiten seiner Kollegen Jacques Tati, Pierre Étaix und Alex van Warmerdam.
Die Ab- und Umwege des Sexualtriebes sind das zentrale stoffliche Element dieses sommerlichen Ferienfilms der etwas anderen Art. So findet sich ein Masochist im Leder-Outfit, im Rollenspiel ans Bett gekettet, dann aber von seiner Domina verlassen, plötzlich in einer ganz realen Gefangenschaft. In einer anderen Episode kommen sich ein Mann (Jacques Gamblin) und eine Frau (Maria de Medeiros) auf der Jagd nach einem vom Wind fortgetragenen Drachen mit anhängender Halskette näher und landen dabei in einem Nudisten-Camp, während sich ihre jeweiligen Partner sexuell miteinander vergnügen. Parallelen, die zu Verwechslungen führen und Kontraste, die das Absurde sichtbar machen, strukturieren auch die anderen Geschichten, in denen es um Liebe, Sex und Tod geht und in denen die Spannung von Ordnung und Chaos zu einem echten Sturm, zu Eruptionen und Implosionen führt. Trotz allem oder gerade deshalb lautet das ganz und gar ironische Fazit des Films, gesungen von Mike Brank: „Les vacances à la mer, c’est super!“ Ferien am Meer sind einfach klasse.