Im Film „The United States of Hoodoo“ erklärt an einer Stelle eine Musikerin, dass alle Geräusche, die je an einem Ort hörbar waren, für immer an diesen Ort gebunden bleiben und verharren, wenngleich sie auch nicht für jedermann hörbar sind.
Dieser Satz fasst schon in etwa Programm und Problem dieses Dokumentarfilmprojekts von Oliver Hardt und seinem Forschungsreisenden in Sachen Hoodoo, Darius James zusammen, denn genauso verhält es sich mit den Spuren der afrikanischen Kultur, sie blieben trotz massiver Verdrängung durch die weiße Vorherrschaft im Verborgenen und bahnten sich ihren Weg – für die, die sie wahrnehmen wollen und können. Ihren Weg in die, zunächst, amerikanische Musik-, Popkultur und in die moderne Kunst, aber auch etwa in den Hoodoo- bzw. Voodooglauben – der Film macht da keine klaren Unterscheidungen – neue amalgamische, mit indianischen Riten und dem auferlegten Katholizismus bzw. Protestantismus versehene Formen alter afrikanischer Religionen. Zugleich jedoch, und das ist ein kleineres Problem, ist diese Erkenntnis eine banale, denn schon lange bekannt, und sie beschränkt sich nicht nur auf die Genese eines afrikanischen Kulturerbes, sondern auf jede Art verschütterter oder unverschütteter Kultur: Teile davon bleiben erhalten oder sie auferstehen in mehr oder weniger mutierten Formen.
Den größeren Verdruss an diesem Projekt der Neuentdeckung Afrikas in Amerika, welches als eine Art selbsternanntes Roadmovie abrollt, aber bereitet mir die doch eher unkritische Bereitschaft von Autor und Regisseur Hardt und Co-Autor und Explorateur James, jedes und alles, was nur irgendwie afrikanisch konnotiert werden kann, zu glorifizieren, uneingedenk der Tatsache, wie mystisch der Quatsch auch ist, der dabei zum Teil an eine Oberfläche kommt, deren Oberflächlichkeit aber auch nicht hinterfragt wird: ist man doch froh über alles und jedes, was einem die Illusion von Wurzeln, Historie und Authentizität vermitteln kann.
Kurz dazu die Rahmenbedingungen des Films und zugleich die biografischen des Schriftstellers und US-Reisenden: Darius James lebt bereits seit 10 Jahren in Berlin, im „Exil“, wie er es ein wenig dramatisch bezeichnet, als er durch den Tod seines Vaters wieder mit seiner Herkunft, in vielfacher Weise, konfrontiert wird. Das Haus des Vaters, nördlich von New York gelegen, ist voller afrikanischer Masken und Kultgegenstände, deren religiös-mystische Dimension vom Vater stets verleugnet wurde. An eben der These, dass die afrikanischen Ursprünge auch in Zeiten der Unterdrückung und Verleugnung in den USA stark geblieben sind, hangelt sich nun der Sohn und Co-Filmautor James entlang, aber seine apostrophierte „Entdeckungsreise“ wirkt in weiten Teilen wie das Abklappern verschiedener ihm längst bekannter Menschen und ihrer jeweiligen afrikanischen Spezifika, denn als Buch-Autor hat er sich doch schon in mehreren Büchern mit dem Thema Voodoo, Hoodoo und „Baaaadassss“-Kultur und den einschlägigen Spezialisten befasst. Was er „entdeckt', das kennt er schon.
Besonders kurios fühlt sich sein Besuch in New Orleans an: Zur Belegung der These, wie vital afrikanische Kultur noch heute sei, wird einem Voodoo-Ritual beigewohnt, dessen Teilnehmer_innen durchweg Weiße sind. Seien wir nicht kleinlich, dass auch Weiße den Blues haben können, muss hier natürlich nicht gesagt werden und Kultur ist natürlich keine Frage der Hautfarbe. – Also doch nicht? Ging es nicht auch um Rückbesinnung auf die schwarze Identität?
Zunächst interessant ist die kaum bekannte Tatsache, dass da, wo heute mitten in Manhattan ein so genanntes „African Burial Ground National Monument“ steht, ein großer Friedhof liegt, in dem unzählige namenlose Sklaven verscharrt wurden, ehemalige Arbeiter, die die Hauptstadt des Weltkapitalismus errichteten. Aber auch hier darf die Religionsmystik nicht zu kurz kommen, und es muss ein gewisser „Legba“ heranzitiert, bzw. gar „kontaktiert“ werden, nach dem Voodoo-Glauben der Mittler zwischen Geister- und Menschenwelt. Dass übrigens Legba als „Protagonist“ des Films sogar im Presseheft (nicht im Filmabspann) aufgeführt wird, ist ein Scherz jener zweifelhaften Art, von denen auch der Film so manche aufweist.
Nur ein Mitwirkender und Interviewpartner von Darius James, der Schriftsteller und Berkeley-Professor Ishmael-Reed, weist den doch eher latent religiös-euphorisierten Autoren freundlich aber bestimmt darauf hin, dass der Segen der Menschheit ja nun wirklich nicht in irgendeiner Religion zu finden sei – er hat im Film den kürzesten Auftritt. Leider. Wenn es interessant zu werden droht und Gedanken zu Ende gedacht werden könnten, verliert „The United States of Hoodoo“ sein Interesse daran.