Kill Daddy, online vertrieben, wird zum Hit. Ausgetüftelt hat das Computerspiel der autistische junge Ratz (Helmut Köpping), Sohn eines sozialdemokratischen österreichischen Ministers. Damit jeder virtuell gewaltbereite Sohn den Hass auf den eigenen Pappa ausleben kann, kann er das Opfergesicht durch die Fresse des eigenen Vaters ersetzen, und ab geht’s, die Vatermutanten werden öffentlich massakriert, mitten im Straßenverkehr. Super. Auf der großen Leinwand auch.
Nun ist es so, dass Michael Glawogger, Megadokumentar- („Workingman’s Death“) und Spielfilmer („Contact High“, „Slumming“), einen 600-Seiten-Roman von Josef Haslinger verfilmt. Und damit wird es einerseits komplex. Andrerseits ist als Megalob zu sagen, dass man davon nichts merkt. Nichts Papierenes am Film. Dafür fleißig experimentellen Wagemut, freilich nicht moralischen. Denn es versteht sich, wenn neben den üblichen verdächtigen Filmförderern auch Arte, ORF, WDR, Degeto dabei sind, dass man zu Gewaltcomputerspielen mehr sagen muss. Sehr viel mehr. Diese Aufgabe übernimmt in einer Parallelhandlung, die zunächst unbegreiflich eingeschnitten wird, Ulrich Tukur, überlebender Jude aus Klaipeda/Memel. Und einziger Belastungszeuge in einem Ermittlungsverfahren zur Verfolgung von Judenprogromen in Lettland während des Krieges. Tukur sitzt in einem Vernehmungsraum der Zentralen Stelle zur Verfolgung von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen in Ludwigsburg. Fast emotionslos, die Kamera unbeweglich, und erzählt von einer Gewalt-Realität in Lettland, die man mit Kill your jews übersetzen könnte. Einer der Täter ist in Manhattan untergetaucht. In einem Keller. Gewalt-Spieler Ratz lernt ihn 1999 kennen.
Und nun? Vaterhass funktioniert nicht. Der Judenmörder ist von der Großvatergeneration. Mit der hat der junge Ratz keine Schwierigkeit. Außerdem leidet der alte Herr an einem Isolationssyndrom der autistischen Art. Kommunikationsunfähig. Damit kennt sich der Ministersohn aus. Die beiden kommen sich näher. Am Ende reden sie. „Ja, ich war der Mann am Maschinengewehr. Ich habe getötet. Das war meine Überzeugung“, sagt Opa Judenkiller. Töten ist menschlich, werden wir belehrt. Da wird der Daddykiller, der sein Enkel sein könnte, aber doch nachdenklich. Er versucht sein Gewaltspiel vom Online-Markt zu nehmen. Zu spät! Er hat die Rechte nicht mehr! Aber der gute Wille zählt. Außerdem ist Weihnachten, das Fest des Friedens. Die beiden Gewaltigen im Keller machen der Jingle-Bells-Puppe den Garaus und legen eine schön altmodische 33er Platte auf. Die Pastorale. Grad recht zur Adventszeit startet der Film „Das Vaterspiel“.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 11/09