Feinrippunterhemd, Turnhose und Socken, so sitzt rechts auf dem Sofa der Schlecker-Peter, der so heißt, weil er Wiens Spitzenmann für Cunnilingus ist. Allerdings hat er grade den Telefonhörer am Ohr und nimmt den Telefonsexservice in Anspruch. Links auf dem Sofa ödet sich ein mittelgroßer Köter zu Tode. Die Hinterbeine hat er auseinander geklappt, so kann er das Genital der Kamera weisen. Letztere dokumentiert einwandfrei ihren eigenen subjektiven Blick auf eine Szene, die unschwer als floride Beziehungskrise beschrieben werden kann. Hierfür wäre eigentlich die uns allen sattsam bekannte Filmgattung der Beziehungsdramen und – komödien zuständig, um uns sofort mit Filmdialogen vollzulabern. Wie man einsehen wird, fehlt es den Wiener Heimtieren jedoch an der Möglichkeit, sich verbal zu artikulieren.
Was ein Segen ist. Weil der begnadete Wiener Dokumentarist Ulrich Seidl jetzt tun kann, wofür er berühmt ist, nämlich dem Bildermedium geben, was des Bildermediums ist: Mit dem unterschwelligen Affekt des Einverständnisses inszeniert er, wie der Mensch es mit dem Tier treibt. Seine Selbstdarsteller kommen erfreulich schnell zur Sache, auch wenn Stefanie Renée Felden, die Ex-Schauspielerin, erst ein Schaumbad nimmt, bevor sie mit ihrem Husky ins Bett steigt und liebevoll seinen Bauch streichelt. Dann geht sie dem Tier an die Eier, aber grade noch rechtzeitig: Schnitt!, und das verstehen wir, weil wir den Film ja im Kino sehen wollen.
Moralisch ist er insofern, als er voller Liebe ist und der Inszenator Ulrich Seidl sozusagen im herzlichen Einverständnis mit auf der Couch oder gar im spitzenbezogenen Himmelbett sitzt. Mondo cane ist weit weg, niemand wird verraten, wir sind erfolgreich Komplizen, der Film kommt nah, sehr nah. Bloß Werner Herzog bekam einen metaphysischen Schock: 'Noch nie habe ich im Kino so geradewegs in die Hölle geschaut', bekannte er nach dem Besuch der 'Tierischen Liebe', dann setzte er seinen düster umflorten Blick auf und reiste zu Filmaufnahmen ins ferne Mexiko. Wieder eine dieser Fluchten, bloß weil er nicht bringt, was doch der Husky auf dem Satinlaken mit Leichtigkeit vorführt: sich die eigenen Genitalien lecken. Aber er hätte doch ohne weiteres Zungenküsse tauschen können, mit dem großen struppigen Schmusehund, hier in Wien, im Abbruchhaus auf dem Gelände des ehemaligen Verschiebebahnhofs, hinter den hunderttausend alten Autoreifen, die auf den Abtransport nach Albanien warten.
Franz Holzschuh, jung, Bettler, braucht im kalten Winter was sehr Warmes. Er, ein Weglegekind, im Mistkübel gefunden und in Erziehungsheimen groß geworden – Franz Holzschuh also, so hören Sie doch, lieber Werner Herzog, hat Ambitionen und Visionen. Er träumt von der Liebe, und die Himmelsmacht machte es wahr, nur das Objekt hat gewechselt. Seit mehr als einem Jahr, aber das ist jetzt ein Nachtrag zum Film, lebt er als Lebensabschnittsgefährte mit der Filmassistentin der 'Tierischen Liebe' zusammen, Eva Roth. Das ist zum Mitfühlen, aber bevor einem die Tränen kommen, wollen wir des Stadtstreicherkollegen Erich Wögerer gedenken, der mit Franz Holzschuh ein 'symbiotisches Verhältnis' eingegangen war, wie uns Ulrich Seidl versichert hat. Jetzt muß Kellerratte Wögerer allein betteln gehen, während der Kumpel aus der Unterschicht aufgestiegen ist. Geht das in Ordnung? Durfte die Dokumentaristin eingreifen? – Wir geben ihnen ein weiteres Jahr und werden in der Septembernummer 1997 berichten.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 09/1996