Die Kindheitsidylle im damals noch beschaulichen und sicheren New Yorker Stadtteil Brooklyn endete für den kleinen, 1935 geborenen Allen Stewart Konigsberg in dem Moment, als er sich seiner eigenen Sterblichkeit bewusst wurde. In seiner Vorstellung war das unbeschwerte Glück und die Geborgenheit innerhalb einer großen, lebendigen Familie plötzlich nicht mehr von Dauer. Dazu begleitete den Heranwachsenden, der als schlechter, von den Lehrern gehänselter Schüler in der Schule wenig Freude hatte, zunehmend das Gefühl, nicht richtig in seine Familie zu passen; was von verschiedenen Familienmitgliedern mehr oder weniger bestätigt wird. Auch wenn Robert B. Weide in seinem ausführlichen Film „Woody Allen: A Documentary“ diesen Außenseiterstatus des werdenden Komikers kaum strapaziert, so ist er in der Lebens- und Werkbeschreibung doch stets präsent.
Schon der 16-jährige Gag-Schreiber und Stand-up-Comedian, der sich einen Künstlernamen zulegt und eine viereckige schwarze Brille zu seinem Markenzeichen macht, scheint dies zu bestätigen. Auf der Bühne des „Bitter End“ in Greenwich Village erarbeitet sich das Naturtalent Woody Allen mit Staunen erregendem Improvisationstalent, überbordendem Einfallsreichtum und viel Fleiß eine treue Fangemeinde. Doch obwohl der Komiker als „neue Stimme“ wahrgenommen und gefeiert wird, fühlt er sich als Performer unwohl. Noch im Rückblick auf sein umfangreiches, über vierzig Filme zählendes Œuvre merkt der Verfechter der „Quantitätstheorie“ selbstkritisch an, dass kaum ein guter darunter sei. Diese Skepsis in Bezug auf das eigene künstlerische Schaffen, seine etwas schrullige, altmodische, dabei jedoch ökonomisch höchst effiziente Arbeitsweise (seit seinen Anfängen hat Allen eine unverwüstliche Olympia-Schreibmaschine in Gebrauch) sowie seine kontinuierliche Arbeitswut (auch über schwierige Lebensphasen hinweg) belegen und verfestigen mit den Jahren Woody Allens Außenseiter-Status.
Die enorme Produktivität des New Yorker Filmkomikers erscheint dabei als Abwehr und zugleich als permanente Auseinandersetzung mit der eingangs zitierten Frage nach dem Sinn des Lebens in Anbetracht seiner Endlichkeit. Geradezu leitmotivisch ziehen sich deshalb die als absurd empfundenen Daseins- und Liebesverhältnisse durch seine Filme, weshalb er von einem der vielen interviewten Weggefährten und Zeitzeugen auch einmal als „Camus unter den Komikern“ bezeichnet wird. Im Verlauf seiner Karriere verbindet Allen dabei immer stärker sein komisches Talent mit seinem Hang zu ernsten Stoffen und zum Geschichtenerzählen, was sich in seinem höchst erfolgreichen Film „Annie Hall“ aus dem Jahre 1977 widerspiegelt, den der bescheidene Regisseur im Vergleich zu seinem umstrittenen „Stardust Memories“ (1980) allerdings als künstlerisch weniger gelungen einstuft.
Das Tragische habe, so Woody Allen, einen direkteren Bezug zur Realität als die distanzierende Komik. Unterstützt wird seine filmkünstlerische Entwicklung in dieser Hinsicht vom Bildgestalter Gordon Willis, dem „Fürst der Dunkelheit“, sowie seinen bevorzugten Schauspielerinnen Diane Keaton und Mia Farrow, die sein zunehmendes Interesse für eine weibliche Perspektive befördern. Außer einem knappen Hinweis auf den Einfluss von Bergman und Fellini erfährt man in Weides konventionell gestalteter Dokumentation, die sich mehr mit dem Menschen und Künstler als mit der Exegese seines Werks beschäftigt, jedoch leider nichts über Allens Cinephilie. Dass dieser die Praxis des Filmemachens im Vergleich mit der puren Freude des Schreibens als „Katastrophe“ empfindet, eröffnet wohl nicht absichtslos den Reigen seiner Statements. Seine Filme sind insofern gegen den stets künstlerisch wie auch existentiell drohenden Kontrollverlust gemacht, halten sich aber überraschenderweise nicht dabei auf, perfekt sein zu wollen. Sein Leben sei ein glückliches, trotzdem habe er das Gefühl, es immer wieder zu „vermasseln“, so Woody Allen.