Das sozialrealistische Setting des Films „Amador und Marcelas Rosen“ erscheint auf den ersten Blick klischeehaft; andererseits bleibt Fernando León de Aranoa nach seinen Arbeiten „Montags in der Sonne“ und „Princesas“ seinem ausgeprägten Interesse für soziale Probleme treu, was ihn mit seinen Kollegen Ken Loach und Robert Guédiguian verbindet. Mit der introvertierten Perspektive seiner Protagonistin Marcela (Magaly Solier, bekannt aus dem Berlinale-Gewinner „Eine Perle Ewigkeit“) erzählt der spanische Regisseur auf verhaltene, mitunter etwas langatmige Weise die Geschichte einer weiblichen Selbstfindung unter prekären Lebensumständen. Marcelas einsame Eigensinnigkeit ähnelt darin jenem leicht kitschigen Bild einer allein auf ödem Grund sprießenden Blume, das den Film eröffnet und eine „Rosen-Metaphorik“ in Gang setzt, die den Film fortan durchzieht. Deren Bedeutung kreist um den Zusammenhang von Leben, Liebe und Tod.
Anfangs will Marcela aus Verhältnissen ausbrechen, die ihren Traum von einem besseren Leben nicht erfüllen. Ihrem Freund Nelson (Pietro Sibille), der mit seiner bolivianischen Einwanderer-Clique und „aufgefrischten“ Rosen an der Peripherie Madrids einen illegalen Blumenhandel betreibt, schreibt sie einen Abschiedsbrief. Doch dann wird sie ohnmächtig, entdeckt ihre Schwangerschaft und muss wieder zurück. Sie zerreißt den Brief, verwahrt die Schnipsel in einer kleinen Blechdose mit Habseligkeiten und verschweigt ihren Zustand, da der achtlose Nelson in anderen Kategorien von der Zukunft denkt. Schließlich findet sie Arbeit und ein bescheidenes Einkommen als Betreuerin des alten, bettlägerigen Amador (Celso Bugallo), der von seiner gestressten Familie vernachlässigt wird. Amador legt ein schwieriges Puzzle, das aus Wolken besteht, die sich auf der Meeresoberfläche spiegeln. Einmal vergleicht er das Leben mit einem Puzzle, dessen individuell verschiedene Teile jeder selbst für sich richtig zusammensetzen muss.
Ein anderes Mal deutet er seinen baldigen Tod an und bittet Marcela, seinen Platz für ihr Kind freizuhalten. Der Tausch von Leben und Tod im vorgestellten Kreislauf von Sterben und Wiedergeburt, aber auch Marcelas fast magische Frömmigkeit grundieren den Film und setzen ein Gegengewicht zur sozialen Überlebensnot. Rituelle Arbeits- und Handlungsabläufe bestimmen auch Marcelas Alltag. Fernando León de Aranoa verleiht diesem eine ebenso skurrile wie schwarzhumorige Note, als Amador stirbt und Marcela unter Schuldgefühlen ihren Dienst mit der Leiche fortsetzt, um weiterhin das nötige Geld für sich und ihr Kind zu verdienen. „Es geht darum, wie das Leben und der Tod dazu gezwungen sind zu koexistieren“, sagt der Filmemacher dazu. Immer wieder wird Marcela nach dem Namen des Kindes gefragt; und wiederholt verlangen Menschen, den Bauch der Schwangeren berühren zu dürfen, als ginge es darum, einen identifizierbaren Kontakt zum Leben herzustellen. Doch erst am Ende dieses poetischen Films, wenn alle Puzzles zusammengesetzt sind, huscht nach der Namensfrage ein wissendes, aber verschwiegenes Lächeln über Marcelas stilles Gesicht.