In einem Stadtteil von Manila versucht die verarmte Greisin Lola Sepa (Anita Linda), das Begräbnis ihres Enkelsohns zu organisieren, der bei einem Raubüberfall erstochen wurde. Sie sammelt Geld bei Verwandten, Freunden und in der Nachbarschaft. Die Bestattungskosten sind jedoch zu hoch. Währenddessen rät der Pflichtverteidiger des Täters dessen Großmutter, Lola Puring (Rustica Carpio), zu einer außergerichtlichen Einigung mit der Familie des Opfers. Daraufhin begibt sich auch Lola Puring auf eine verzweifelte Suche nach Geld. Schließlich treffen sich beide Frauen.
2009 erhielt der damals 50-jährige Regisseur Brillante Mendoza in Cannes für sein kontroverses Polizeidrama 'Kinatay' den Regiepreis. Dass der philippinische Filmemacher auch die leiseren Töne beherrscht, belegt er eindrucksvoll mit seinem zurückhaltenden Drama 'Lola'. Wie 'Kinatay' spielt auch 'Lola' in der Landeshauptstadt Manila. Repräsentative oder touristische Orte spart Mendoza jedoch aus. Stattdessen siedelt er seinen Film in den Slums der überfluteten Gemeinde Malabon an, ein undurchdringlicher Platzregen, der in vielen Szenen auf die Protagonisten niedergeht, verdeckt zusätzlich die Sicht.
Wie in 'Kinatay' steht ein Verbrechen im Zentrum der Geschichte. Doch im Gegensatz zu dem drastischen Vorgänger spart 'Lola' die Tat völlig aus. Mendoza interessiert einzig der Schmerz der Angehörigen und der schwierige Weg zur Versöhnung. Seine über 80-jährigen Hauptdarstellerinnen, beide in ihrer Heimat bekannte Schauspielerinnen mit jeweils über 30-jähriger Kinoerfahrung, beeindrucken durch naturalistisches Spiel.
Für seine einfache, aber berührende Geschichte über die beiden Lolas, so das philippinische Wort für Großmutter, wählt Mendoza einen kargen, aber höchst lyrischen Stil, der am französischen poetischen Realismus der 1930er Jahre und am italienischen Neorealismus der Nachkriegsära geschult ist. Im Mittelpunkt seines Films stehen einfache Menschen, Geldnöte und Alltagsprobleme. Raue Digitalbilder und Handkamera signalisieren Unmittelbarkeit, die Außenaufnahmen, ausschließlich vor Ort gedreht, Authentizität. Der Moment ist hier alles; Gesichter, Gesten und Blicke erzählen den Film. So werden die mühsamen Versuche einer alten Frau, im Sturzregen einen Schirm aufzuspannen und ein Streichholz anzureißen, zum Sinnbild für den Überlebenskampf in der feindlichen Umwelt.
'Lola' verlangt von seinem Publikum Geduld und den Willen zur genauen Beobachtung. Nur selten rafft die Montage Zeit, Alltagshandlungen werden in Echtzeit gefilmt, dramatische Zuspitzungen vermieden. Wer sich auf das etwas sperrige Sozialdrama einlässt, erhält einen Einblick in eine fremde Welt und eine Chance, abseits der tradierten Sehgewohnheiten neu sehen zu lernen.
Dieser Text ist zuerst erschienen auf: www.br.de