Es sind die Archetypen, die das Horrorgenre am Leben erhalten und mit ewig frischem Blut versorgen, die Werwölfe und Mutanten, die Zombies, Vampire und verwandte Untote, die verrückten Wissenschaftler und ihre entfesselten Kreaturen, die garstigen kleinen Mädchen und die hinter der Fassade langweiligster Normalität sich verschanzenden Schlitzer und Serienkiller. Kaum ein anderes Genre als der Horrorfilm geriert sich ähnlich konservativ, seinen Regeln und Konventionen stets verpflichtet. Erfolgreiche Schemata werden wieder und wieder ausgebeutet, gelegentlich variiert, selten auch einmal dekonstruiert. Wes Craven zog in den Neunzigern mit „Freddy’s New Nightmare“ und insbesondere dem ersten Teil der „Scream“-Reihe effektive und augenöffnende Metaebenen in die gängigen Horrorkonstruktionen ein, entlarvte einerseits die Stereotypie und machte andererseits das Genre mit ironischen Brechungen für die Post-Post-Moderne flott. Bis die Torture-Porn-Welle der Nuller-Jahre einen sowohl ästhetischen wie auch ideologischen Rückschritt bedeutete – die auf einer spekulativen Ebene möglicherweise den politischen Gegebenheiten geschuldet war, jedoch in seiner grimmigen und unerbittlichen Art vor allem die Angstlust als zentrales Motiv des Horrorfilms ignorierte und letztlich wenig ergiebig um nichts als sich selbst kreiste. Dass sich auch das dekonstruierende Element nicht beliebig wiederholen ließ, zeigte Cravens eigener, uninspiriert modernisierter „Scream 4“. Den Gegenbeweis, dass sich auch im Jahr 2012 die penible Erfüllung der Genreregeln und das lustvolle Auskosten der ironischen Metatextualität zu einem homogenen Werk vermengen lassen, treten nun „Buffy“- und „Avengers“-Mastermind Joss Whedon sowie der „Cloverfield“-Autor Drew Goddard mit seinem Regiedebüt „The Cabin in the Woods“ an.
Die Selbstreferenzialität ist auch hier das dominierende Prinzip; visuelle Anspielungen und Zitate kanonischer Horrorfilme sind Legion und können wahrscheinlich erst bei einer Standbild-Analyse vollständig entschlüsselt werden. Aber auch beim ersten Sehen entwickelt sich ein unbändiger Spaß: Zunächst an der in bester „Breakfast Club“-Analogie aufgestellten Clique aus Sportler, Jungfrau, Streber, Flittchen und Nerd sowie ihren an Waldorf & Statler gemahnenden Gegenparts im unterirdischen Kontrollraum, die das zum Klischee erstarrte Motiv von der Privatparty in der Waldhütte und ihren obligatorischen ungebeten Gästen ins Rollen bringen und gleichzeitig Wetten darüber abschließen, wer von den ahnungslosen Teens als Erster ins Gras beißt.
Die Versuchsanordnung der ungleichen Gegner, die fast jedem Horrorfilm innewohnt, wird konsequent auf die Spitze getrieben. Anfängliche Befürchtungen, dass sich das Gemetzel in einem artifiziellen, in jeglicher Hinsicht überschaubaren Raum abspielt, werden allerdings schnell beiseite gewischt. Darin liegt auch eine Selbsterkenntnis der Filmemacher verborgen, die sich ab einem gewissen Punkt nicht länger hinter ihren Kontrollmonitoren und in den Schneideräumen verschanzen können und sich der brutalen Außenwelt stellen müssen. Ironischerweise wurde „The Cabin in the Woods“ bereits 2009 gedreht, konnte aber aufgrund struktureller Umwälzungen der Studios MGM und Lionsgate erst in diesem Jahr veröffentlicht werden. Die lange Lagerzeit hat dem Film jedoch keineswegs geschadet. Das Angebot an Mainstream-Horror in den vergangenen Jahren hat nur vielmehr verdeutlicht, wie weit „The Cabin in the Woods“ der Konkurrenz enteilt ist.
„Expect the worst“ ist ein weiteres der ungeschriebenen Genregesetze, und wie es sich in der zweiten Hälfte des Films, der nunmehr immer wildere Haken schlägt, dann auch gegen die Schöpfer der Gruselwelten richtet, das ist nicht weniger als furios zu nennen. Auf ihrer Achterbahnfahrt durch die Mythen und Legenden des Horrorfilms reißen Whedon und Goddard alle Regeln genüsslich nieder (und errichten sie aus den Trümmern wieder neu). Dass „The Cabin in the Woods“ vom US-Publikum eher lauwarm angenommen wurde, deutet dabei eher auf ebenso konservative Genrefans, die lieber ihre Protagonisten durch den Fleischwolf gedreht sehen wollen als ihre Gewohnheiten. Denn trotz der ironischen, manchmal auch zynischen Spiegelung der Konventionen gelingt Whedon und Goddard ein ebenso nervenzerrendes, blutspritzendes Spektakel wie auch der reflexive Diskurs über seine Bedingungen.