Im alten Griechenland galt als Barbar, wer keinerlei Regeln und Gesetzen unterstand. „Garage Olimpo“, der Originaltitel von Marco Bechis‘ Film „Junta“, trägt seine schreckliche Zwiespältigkeit deshalb bereits im Namen: Zwischen 1976 und 1982, als Argentinien von einer brutalen Militärjunta unter den Generälen Videla, Agosti und Massera terrorisiert wurde, war die ausrangierte Werkstatt eines von über dreihundert geheimen Folterlagern im Untergrund von Buenos Aires, in denen Regimegegner und mutmaßliche Oppositionelle zu Tausenden willkürlich gefangen gehalten und misshandelt wurden. Um die Spuren illegaler Verschleppung und grausamer Folter zu verwischen, warf man die Opfer staatlicher Gewalt von Militärflugzeugen aus ins Meer. Seither gelten nach Schätzungen etwa 30000 Menschen als „desaparecidos“ – als Verschwundene. Für Regisseur Marco Bechis sind sie Opfer einer modernen Barbarei, die Folter nicht mehr primär als Bestrafungsmittel einsetzt, sondern als perverse Methode benutzt, um den Körper der Geschundenen zu instrumentalisieren und in totaler Weise ihre Psyche zu besetzen. Die Seele selbst werde zum Gefängnis, so der argentinische Regisseur.
Abgelöst von den konkreten historischen Ereignissen, möchte Bechis insofern seinen Film ganz allgemein als Manifest gegen staatliche Gewalt verstanden wissen. Gleichwohl bezieht sich „Junta“ auf autobiographische Erlebnisse und auf Aussagen von Überlebenden. Im Jahre 1977 wurde der damals 20jährige Grundschullehrer und linke Aktivist Bechis selbst von Soldaten in Zivil entführt und inhaftiert, bevor er schließlich das Land verlassen musste. Im Film erleidet ein ähnliches Schicksal die erst 18 Jahre alte Maria (Antonella Costa), die in den Slums der argentinischen Hauptstadt Alphabetisierungskurse gibt und bei ihrer Mutter Diane (Dominique Sanda) lebt. Hier wohnt als Untermieter auch der zunächst unauffällig wirkende Felix (Carlos Echeverría), der Maria seine Liebe aufdrängt und später in einem komplizierten Verhältnis zu ihrem Peiniger wird. Die Abhängigkeit des Opfers von der Willkür des Täters fasst Bechis äußerst komplex, indem er den anonymen Raum durch einen privaten überlagert und in dieser Ambivalenz als verzweigtes System der Angst kennzeichnet. Die Hierarchie der Unterwerfung verlangt von Maria die Selbstaufgabe, während Felix als ein in mehrfacher Hinsicht Abhängiger sichtbar wird.
Mit Marias dramatischer Gefangennahme betritt auch der Zuschauer „die Welt der Geräusche“, wo in sogenannten „Operationssälen“ – das sind dunkle, kalte Verschläge aus Beton und Blech – die junge Frau, eine schwarze Augenbinde tragend und nackt auf eine Pritsche gefesselt, mit Stromschlägen bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert wird. Die Primitivität des Ambientes und der Methoden korrespondiert dabei auf erschreckend paradoxe Weise mit der planmäßigen Durchführung und Organisation der Quälerei, die hier in pervertierter Form als „Normalität“ eines Arbeitsalltags mit Stempeluhr, Freizeitraum und Strafversetzung in den „Außendienst“ erscheint. Körper und Seele der Opfer unterliegen der totalen Kontrolle durch die Täter und ihren hybriden Herrschaftsanspruch: „Wir entscheiden, wann gestorben wird. Wir sind hier unten Gott.“
Besonderes Augenmerk legt Bechis in seinem beeindruckenden Film auf den schmalen Grat zwischen Normalität und Wahnsinn, Freiheit und Tod. Immer wieder kontrastiert er den Horror der Folterkeller mit Ansichten der Stadt und dem gleichmäßigen Fluss des täglichen Lebens. Hauchdünn ist die Membran zwischen den beiden Welten, zwischen oben und unten, draußen und drinnen. Ein gemeinsamer Ausflug, den Felix mit Maria in die „oberirdische“ Stadt unternimmt, spitzt dieses paradoxe Verhältnis noch zu, das Marco Bechis folgendermaßen charakterisiert hat: „Die Bewohner der Stadt lebten in einer Fiktion, während die Wahrheit im Untergrund war.“