Unser Blick ist zunächst der Blick der anderen, der aus der Vogelperspektive und dem Verborgenen heraus eine Frau beobachtet, die an einem neuen Ort eine neue Arbeitsstelle antritt. Aus der Distanz spricht ein Misstrauen; und die Worte, die dieses Taxieren begleiten, zielen auf die Einsperrung im Vorurteil. Der sie ausspricht, heißt Schütz (Rainer Bock) und ist von der Stasi; und diejenige, die durch diese Worte und Blick denunziert wird, trägt den Namen Barbara Wolf (Nina Hoss). Wegen eines Ausreiseantrages und der möglichen Gefahr einer sogenannten Republikflucht wird die junge Ärztin von der renommierten Berliner Charité an ein Provinz-Krankenhaus an der Ostsee versetzt. Wie eine Gezeichnete bewegt sich die schweigsame Außenseiterin durch die Szenerie. Sie ist skeptisch, reserviert und ungesellig; und hat dafür auch gute Gründe, denn sie wird ständig observiert und kontrolliert. Barbara ist in ihrem Land eine Frau ohne Recht auf Privat- und Intimsphäre.
„Hier kann man nicht glücklich werden“, sagt Stella (Jasna Fritzi Bauer), eine andere Verfolgte, an anderer Stelle über die DDR. Fast schon im Kontrast zu diesen Erfahrungen zeigt Christian Petzold in seinem neuen, preisgekrönten Film „Barbara“ einen überaus sinnlichen Osten mit viel schöner Natur, alten Häusern und einem mächtigen Wind vom Meer. Eine warme Atmosphäre erfüllt die Räume, die Zeit atmet und selbst die Arbeit folgt noch einem ruhigeren, freieren Rhythmus. Aber im Sommer des Jahres 1980 zeigt die Diktatur immer wieder ihr hässliches Gesicht. Barbara beginnt, sich zaghaft zu integrieren und bereitet doch zugleich bei konspirativen Treffen mit ihrem Geliebten aus dem Westen (Mark Waschke) ihre Flucht vor.
„Wir wollten das filmen, was zwischen den Menschen ist, sich aufgetürmt hat, was sie misstrauen lässt oder vertrauen, abwehren und annehmen“, schreibt Christian Petzold in einer Anmerkung zum Film. In Barbaras zögerlichem Verhältnis zu ihrem überaus offenen und kommunikativen Kollegen Andre Reiser (Ronald Zehrfeld), der zuvorkommend ist und um sie wirbt, lässt sich viel von diesen differenzierten zwischenmenschlichen Bewegungen spüren. Dabei geht Barbaras distanzierte Skepsis durchaus in verschiedene Richtungen, gewissermaßen gen Ost und West. Ihre Verantwortung als Mensch und Ärztin hat eine Geschichte und einen Ort; und ist geerdet in einem Gefühl, das in vielerlei Hinsicht Grenzen überschreitet.