An Spielfilmen über das Filmemachen und seine Geschichte mangelt es derzeit nicht; gefühlte 24 pro Sekunde kommen dieser Tage in die Kinos, zumeist in neokonservativ-nostalgischem Tonfall und mit der Beschwörung einer Wahrheit hinter den Kulissen des Spektakels, die uns verlorengegangen ist und nun geborgen werden soll. Das kann die schiere Evidenz beredt grinsender Gesten hinter der Sprachmauer des Sprechtonfilms sein (The Artist') oder der verlorene Archivschatz einer im Rückblick vergoldeten Gründerzeit des Laufbilds (Hugo Cabret') – oder die Vorstellung einer echten Marilyn hinter der Fassade der Monroe und ihrer Filmarbeit.
Die ostentativ zartbittere Komödie 'My Week With Marilyn' spielt 1956 in der Umgebung von London während des Pinewood-Studiodrehs zu 'The Prince and the Showgirl – Der Prinz und die Tänzerin' und zeigt die Titelheldin zerrissen zwischen Leistungsdruck, Imagezwang, Geltungsbedürfnis, Konfusion und Tablettensucht. Alle wollen an ihre Vitalsubstanz heran, wollen sie führen und formen: ihr Co-Star und Regisseur Laurence Olivier aus der Position des abgeklärten Profimimen; Paula Strasberg als ihre mütterliche Method-Acting-Mentorin, die das Ethos ungekünstelter Ausdrucksechtheit in eine andere Art von Dressur umwandelt; Arthur Miller als ihr Ehemann, der seine Frau schon nach kurzer Ehe heimlich ab- und im Notizbuch zur unvorteilhaften Romanfigur umschreibt.
Es herrscht allseits Zank und Frust, Bosheit und Unwahrheit. Da genügen die lieb gemeinten Ermunterungen der selbstironischen Schauspielkollegin Dame Sybil Thorndike (Judi Dench) an die heillos überforderte Marilyn nicht mehr; da müssen härtere Kontraste in Form sanfterer Verkehrsformen her. Gerade recht kommt Colin Clark: Der spätere Kunsthistoriker (Sohn des prominenteren Branchenkollegen Sir Kenneth), auf dessen Memoiren basierend der Film weitgehend aus seiner Perspektive erzählt ist, arbeitet als filmbegeisterter, einfallsreicher Laufbursche am Set. Um einiges jünger als Marilyn und fast ebenso schmollmündig wie sie, avanciert er zu ihrem einfühlsamen Vertrauten, Helfer bei kleinen Fluchten, 'perfect date' (samt Spontannacktbad nach Schloss- und Collegevisite) und Kuschelbuddy, dem sie alles gesteht.
Simon Curtis‘ Inszenierung und Musikeinsatz lassen wenig Zweifel, wann wir jeweils beschwingt, bezaubert oder betroffen sein sollen. Sicherheitshalber aber bekommen die dämmrig hauchende MM und der zwischen Wutanfall vor dem Schminkspiegel und Shakespeare-Rezitation angesichts von Marilyn-Mustern im Vorführraum changierende Olivier – Michelle Williams und Kenneth Branagh spielen jeweils mit Gusto – ein paar Schlüsselszenen, in denen sie ausbuchstabieren, was Sache ist: In Wirklichkeit will Marilyn will ja nur um ihrer selbst willen lieb gehabt werden wie jedes Mädchen; und doch hat sie was, da muss man einfach hinschauen, das ist irgendwie ein Traum. Letzteres in etwa sind die tief gedachten Worte, die uns 'My Week With Marilyn' als Resümee mit auf den weiteren Lebensweg gibt, ob unter Anrufung von Prospero oder versonnen aus dem Off verkündet vom Zwischendurchlover Colin, der nun heartbroken und gereift zu seiner Normalo-Geliebten zurückkehrt. (Das junge Paar spielen Eddie Redmayne und Emma Watson, vormals die Hermione aus dem Harry Potter-Franchise.)
Mit dem mehrfach ausgesprochenen Appell, die Augen nicht zu verschließen oder abzuwenden, schwingt sich der Film zu einer Geste der Nobilitierung auf, gegenüber der angepeilten Publikumshaltung eines Voyeurismus, wie es ihn so schwitzig seit den seligen Zeiten der Sexklamotten mit Laura Antonelli nur noch selten gibt. In gediegener altenglischer Ausstattung, mit viel glänzendem Holz und gepflegtem Grün, tritt die Titelfigur zur Entblößung forcierter Natürlichkeit an, die in Bein- und Popo-Begutachtung kulminiert. Marilyn kiekst nackt vor der Badezimmertür, trällert kokett in der Wanne, räkelt sich in Frottee. Am Beginn und Ende des Films ist jeweils noch das Re-enactment einer Bigband-Tanz- und Gesangsnummer ('Heatwave' und 'That Old Black Magic') drangepappt – warum nicht, wenn die vielseitige Williams (of Kelly Reichardt and Shutter Island fame) schon verfügbar, platinblondiert und in die Rolle eingespielt ist? Das beleidigt die Intelligenz der Filme, für die Marilyn Monroe zu Recht nach wie vor gern erinnert und betrachtet wird (zumal jener, die besser, lasziver und verstörender sind als 'My Week With Marilyn' und die Komödie, von deren Dreh er handelt), ebenso wie unsere anonym gestreute Publikumsintelligenz. So als hieße das ganze “My Weak Wit – Marilyn”.