„Sieht das irgendjemand außer mir?“ fragt entgeistert der Familienvater (Michael Shannon), während irre Blitze durch den Nachthimmel zucken und Frau und Tochter im Auto schlafen. In anderen Momenten des Films, der insgesamt viel aus dem Anblick und Sound gewittriger Wolkenformationen, Stürme und Regengüsse macht, ist es der Protagonist, der schläft; da erscheinen ihm erst recht Dinge, die niemand anderer sieht – zumal Visionen, in denen das Alltagsvertrauteste plötzlich gegen ihn aggressiv wird: sein Hund, seine Möbel, sein Kollege am Bohrgerät bzw. Biertresen, gar seine Frau (dargestellt von Jessica Chastain; sie stand schon als Hausfrau und Mutter in Terrence Malicks „The Tree of Life“ am Rand eines intensiven Direktaustauschs zwischen familiärem, natürlichem und kosmischem Leben).
Mehr als andere Hollywoodfilme mit düsteren Katastrophenvisionen unter „kleinen Leuten“ auf dem Land (rezente Exorzismusfilme, „The Mothman Prophecies“ und „Signs“ von Anfang der Nullerjahre oder der schon etwas ältere, mehr populistisch denn visionär sein Tornadodesasterthema bearbeitende „Twister“) präsentiert sich „Take Shelter – Ein Sturm zieht auf“ als Milieustudie. Der Film in der Regie von Jeff Nichols bietet ein mehr als nur soziodekoratives Bild von Alltagsnöten, -gesten und -ritualen weißer Arbeiterfamilien in Ohio. Diese Milieustudie wiederum ist vermittelt über die Verhaltensstudie eines einzelnen Mannes, eben des Familienvaters, der abdriftet; sein Verhalten reduziert sich mit der Zeit ganz auf ohnmächtiges Starren und obsessives Mauern. Entgegen allgemeinem Rat und unter Vernachlässigung von Arbeitspflichten, Sozialkontakten und Rücksicht aufs knappe Familienbudget sucht er sein Heil im Ausbau des Tornado-Schutzbunkers auf dem Grundstück vor seinem Haus. Beim dorfgemeinschaftlichen Austerngrillabend in der örtlichen Mehrzweckhalle mündet seine Absonderung in einen Eklat; er geht mit biblisch anmutender Prophezeiung ab: „Ein Sturm wird kommen, und niemand von euch ist vorbereitet!“
Wie in vielen guten Horror- und Mystery-Filmen bleibt die atmosphärische Bedrohung hier so weit in Schwebe, dass gesellschaftsbezogene Lesarten nahe liegen: Was wir an Alpträumen, Wetterkapriolen und Vogelschwarmgebilden sehen und hören, bricht unvermittelt in die working class-Alltagssoziografie ein, als ominöser Ausdruck, der dazu drängt, dass wir ihm Gründe zuweisen. Die Chancen stehen gut, dass diese Gründe in Sinnbildern bestehen wie jenen von einer düsteren Zukunft des weißen Proletariats (schwarz sind hier nur zwei Nebenfiguren, die einen wohlwollenden aber hilflosen Staat verkörpern: eine überforderte Beraterin im Gemeindezentrum und ein Notarzthelfer) oder vom Kapital, dessen Krisenlaunen wie eine Wetterfront aufwallen. Diese Vorstellungen – eben furchtmythologische Bilder einer politischen Ökonomie – sind so abgegriffen wie letztlich selbst ideologisch. Sinn und Einsicht wäre mit ihnen dann zu erzeugen, wenn sie nicht als möglicher Endpunkt einer Interpretation daherkämen, sondern einmal als ein weiter aufzuknackender (zu reflektierender) Ausgangspunkt dastünden, mit der dazu gebotenen Verbindlichkeit.
Dass wir uns nicht falsch verstehen: Als kritischerer Film wäre „Take Shelter“ immer noch ein spannender Mystery-Thriller (und soll das auch sein). Der Art, wie der Film Energie in die bedächtige Entfaltung seines Grusels – mehr schleichende Verunsicherung denn blanker Horror – investiert, würde das keinerlei Abbruch tun, im Gegenteil: Ausgehend von Schauspiel, Montage, Effekten und Sound Design, die in „Take Shelter“ gediegen, gemessen und stets darauf angelegt sind, dass wir in den Bildern ein unheimliches Mehr an Sinn vermuten, ließen sich die Unheilsvisionen als die wahnhafte Form einer potenziellen Erkenntnis zeichnen – eines Irrsinns, der das Zeug zur Hellsicht hat und mit milieuspezifischen Seh- und Denkweisen bricht. Allein, der Habitus, aus dem der Visionär herausfällt, wird hier kaum in Frage gestellt – nämlich der selfmade man-Individualismus und die Familienmentalität, jeweils als Ideologien der Selbstbehauptung, die ihrerseits zwar höchst normalisiert, aber nichtsdestoweniger auch Formen des 'Mauerns' sind, des Sich-Fügens ins Unvermeidliche des Wirtschaftswetters und der tradierten Ordnung.
Was der Film allerdings bietet, ist eine starke Betonung des Elends von Kommunikationsarmut, verdichtet in dem Umstand, dass die kleine Tochter der Familie gehörlos ist (globalistischer Humanitätskitsch der Sorte „Babel“ lässt leise grüßen). Aber auch seine Verbindung zwischen dem Versagen der Worte und dem Unverbindlich-Andeutungshaften der Vorahnungen hält „Take Shelter“ dann doch nicht ganz konsequent durch: Zuletzt erzeugt er eine Eindeutigkeit, die Möglichkeiten einer sozialkritischen Lesart denn auch hinwegfegt. Ohne allzuviel zu spoilen, darf – in einer Zeit, da im Horror- und Mysterygenre ohnehin ein Ende, das nicht gedoppelt ist, schon fast als Gewagtheit hervorsticht – angedeutet sein, dass der Film schließlich doch, jenseits aller Relativierung und Therapeutik, eine Auflösung findet, die als starker, zumal ehrfurchtgebietender dramaturgischer Schlussakzent befriedigt; dies jedoch um den Preis, dass sie die existenzielle Angstempfindung ganz ins New Age-Wolkige hebt.