Bei Fantasyfilmhelden gehört es zum guten Ton, dass sie am Handlungsende – entwicklungsromanhaft, fortsetzungshoffnungsgerecht und vorzugsweise per Off-Kommentar – bekräftigen, dass sie nun wissen, wer sie sind und wie sie heißen. Das tut auch dieser. Er heißt eben nicht Virginia – daraus, dass die örtlichen Aliens, also eigentlich indigene 'Indianer', im holprigen interkulturellen Dialog seinen Herkunftsort für seinen Namen halten, resultiert hier ein Running Gag –, sondern John Carter. Und aber auch nicht John Carter von der Erde, sondern, wie er sagt, John Carter vom Mars. Also wie der Film, dessen Held er ist. Der heißt allerdings 'John Carter – Zwischen zwei Welten' und situiert ihn zwischen ebendiesen, außerdem zwischen drei Populationen (wovon eine ein Stamm von vierarmigen Humanoiden ist), zwei Planeten (einer davon die Erde), zwei bis drei Erzählebenen, diversen dynastischen und intergalaktischen Machtstrategieverwicklungen und 150 (gefühlten 160) Eigennamen, vom Reich Zodanga bis zum Volk der Therns.
Das ist so kompliziert, wie es sich liest und auch noch in 3D und deshalb aber auch nicht gleich schlecht. Insofern tun weitere Namensverweisspiele keinen Abbruch, liefern sie doch jene Hausmarken, auf deren bürgschaftliches Symbolkapital diese Disney-Produktion hinaus will: 'John Carter' ist die Adaption der Kompilation eines zum Teil 100 Jahre alten – eben 1912 begonnenen – Serienromanstoffs von Tarzan-Erfinder Edgar Rice Burroughs und bietet ausstattungsintensiven Schwulst, der sich in jüngere Kino-Fantasy-Traditionen einreiht (wie sehr diese wiederum von Burroughs’schen Mars-Imaginarien zehrten, sei dahingestellt): Wir bekommen Fetischklamotten wie in 'Barbarella', Muckis in Ketten wie in 'Conan', Prophezeiungspathos wie in 'Dune', fette Viecher wie in alten 'Star Wars'-Filmen, dazu ausladende Felspanoramen, bizarre Palastbauten, klobig schwebende Schlachtschiffe, Stammeskultur hochgewachsener Humanoider und anderes, was an 'Avatar' erinnert.
An letzteren Film muss man nicht nur dann unwillkürlich denken, wenn John Carter, nach schaukampfförmiger Metzelung zweier weißpelziger Riesenaffen ganz in deren Blut gebadet und insofern blauhäutig, die Hand zum Salut ans Haupt hebt: Das ist wie eine Grußadresse an einen Blockbuster, dem gegenüber sich 'John Carter' als die spleenigere Variante erweist. Was in James Camerons Inszenierungen von Initiationsriten und Stammesgemeinschaften oft ins unangenehm Völkische und Vitalistisch-Heilsame ausgreift (und was hier, schon von der Vorlage her, kolonialistisch bis 'Edle Wilde'-faschistoid geraten könnte), das wird in 'John Carter' konterkariert und gegengewichtet: Dies geschieht zum Einen durch die unmäßig – und an der Grenze zum Strapaziösen – sprudelnde Lust am Akkumulieren von Erzählmaterial (eben: noch ein Name hier, eine Machination dort, ein Kreatürchen obendrauf, eine Deadline zwischendurch, das Ganze gerahmt in einer Jahrzehnte später auf der Erde angesiedelten Rückblendenrahmenhandlung, die zunächst in ein Sezessionskriegswesternuniversum führt, daher der Name Virginia und der militärische Gruß … Are you still with me?); zum Anderen durch eine Erzählform, die im Kleinen ihrer Jumpcuts und lustig-episodischen Montagen wie auch im Großen ihrer abrupten Schauplatz- und Handlungsstrangwechsel auf kunstvolle Zeitsprünge und Implizitsetzungen baut. Wie gesagt: Die Sache wird dadurch nicht leichter zu verfolgen und der Film noch formloser, aber es fügt Konturen und Reize hinzu.
Die ab und zu traumatisch dazwischenblitzenden Rückblenden zum Verlust der schmerzlich verlorenen geliebten Frau, die der Held nicht vergessen kann – vergessen wir sie lieber gleich wieder, zumal sie an den Vorjahrs-Blockbuster-Krampf 'Cowboys and Aliens' erinnern; wobei der Vergleich mit diesem in seinem Genre-Crossover-Ansatz nicht unähnlichen Film für den durchwegs unernst antretenden 'John Carter' vorteilhaft ausfällt. Hier regiert eben Freude am infantilen Aufhäufen und mittendrin zu Auslassungen und ausgelassenen Sprüngen, und wenn Regisseur Andrew Stanton ein Landschaftspanorama in ostentativer Leere ausbreitet und darin Momente des Slapstickballetts inszeniert, dann knüpft er damit kurz an stilistische Trümpfe seiner (einprägsameren) Animationsfilmerfolge 'Findet Nemo' und 'Wall-E' an.
Der im Original einfach 'John Carter' (ohne Zwischen-Zusatz) betitelte Film frönt der Magie (und Unzahl) ominöser, mehrfach geschichteter Namen und ist somit in der Hauptrolle fast programmatisch besetzt: Neben einem als Vierhänder unkenntlichen Willem Dafoe, sowie Lynn Collins, Ciarán Hinds, Samantha Morton und Dominic West, macht passable Figur ein kanadischer Neo-Star mit dem prägnanten Namen Taylor Kitsch. Nicht nur sein Gesicht erinnert an den jungen Johnny Depp. Ja, diese Namen: Für uns klingen die so seltsam wie 'John Carter aus Virginia' für einen Mars-Indianer. Taylor… Johnny…: Wer heißt schon so?