Die attraktive Marion (Arielle Dombasle) steht kurz vor der Scheidung und verbringt den Sommerurlaub gemeinsam mit ihrer 14-jährigen Cousine Pauline (Amanda Langlet) in einem Haus am Strand. Dort begegnet sie sowohl einem alten Freund, dem unsterblich in sie verliebten Romantiker Pierre (Pascale Greggory), als auch dem Ethnologen Henri (Féodor Atkine), einem rücksichtslosen Hedonisten, in den sie sich sogleich verguckt. Pauline findet indes einen gleichaltrigen Partner in dem sympathischen Sylvain (Simon de La Brosse). Während Pierre verzweifelt versucht, Marion zu erobern, steigt Henri mit einer Süßigkeitenverkäuferin ins Bett. Als Pierre diese in Henris Haus sieht, versucht er die Nummer Sylvain in die Schuhe zu schieben …
Nach dem kühlen 'Die Frau des Fliegers' und dem herbstlichen Die schöne Hochzeit' ist Rohmer mit 'Pauline am Strand' im Sommer angekommen. Sein Film strahlt in hellen Farben, ist durch und durch lichtdurchflutet und von einer sehr entspannten Stimmung geprägt. Thematisch ist der Schritt von 'Hochzeit' zu 'Pauline' nicht allzu groß: In beiden werden verschiedene Liebes- und Partnerschaftskonzepte diskutiert. Vier konkurrierende Ansichten treffen aufeinander: Henri will keine Partnerschaft, weil er sie als Hindernis versteht – die Liebe kommt und geht, warum sich also festlegen? Marion hingegen sucht eine Liebe, die so stark ist, dass sie fast verbrennt; sie glaubt an die in der Hitze des Gefechts getroffene Entscheidung aus Leidenschaft – und riskiert gern, dass diese sich später als Fehlentscheidung entpuppen kann. Für den romantisch veranlagten Pierre hingegen ist Liebe nur in der Zeit zu denken: Lieben kann er nur eine Person, mit der er sich auch ein gemeinsames Leben vorstellen kann – und droht über dieses Anspruchsdenken zum Solipsist zu werden. Paulines Ansichten sind hingegen noch nicht durch gute oder schlechte Erfahrungen vorgeprägt, sie geht unvorbelastet durchs Leben und will sich überraschen lassen, ohne dabei jedoch alle Prinzipien aufzugeben.
Während die Erwachsenen um sie herum bereits irgendwie verletzt und dadurch „verdorben“ wurden, repräsentiert Pauline ein Konzept der Reinheit. Das macht sie nicht nur zur Hauptfigur, sondern auch zur „weisesten“ Figur des Films; gleichzeitig ist sie der deutlichste Hinweis auf den Dichtungscharakter von Rohmers Film, den man sonst leichtfertig und fälschlicherweise als Spiegelung des „echten Lebens“ begreifen könnte. Das ist er nicht: So authentisch Pauline und ihre Freunde auch sind, sie sind reine Kunstfiguren, Vertreter von Konzepten. Wer die beiden Vorgänger von Comédies et Proverbes gesehen hat, erkennt einige von ihnen wieder: Henri gleicht dem Anwalt Edmond aus 'Hochzeit', Pauline und Pierre erinnern an Lucie bzw. François aus 'Die Frau des Fliegers'. Nicht viel Neues also, aber das ist gar nicht so schlimm. Auch 'Pauline am Strand' ist wieder ein sehr schöner Film, etwas leichter als seine beiden Vorgänger, und mit einem sehr prägnanten Ende: Selbstbetrug kann eben auch ein Weg zum Glück sein.
Dieser Text erschien zuerst in: Remember it for later