“Ich bin ein Fahrer”, sagt der Protagonist des Films einmal, um sich vorzustellen. In diesem lapidaren Statement verdichtet sich eine Existenz, die um das Auto kreist und zwischen äußerer Bewegung und innerer Ruhe changiert. Zugleich beschwört diese knappe Auskunft eine Kunstfigur im Kosmos mythologischer Kino-Geschichten, in die sich Nicolas Winding Refn mit seinem preisgekrönten Film „Drive“ bewusst einreiht. Der von Ryan Gosling gespielte Driver, in einem Song des Soundtracks als „Real Hero“ besungen, ist ein „Light Sleeper“ und „Taxi Driver“, der sich in seinem Wagen, der wie ein zweiter Körper erscheint, mit coolem Flow durch die labyrinthische Stadtlandschaft von Los Angeles bewegt. Tagsüber fährt er Autostunts bei Filmproduktionen oder er arbeitet in einer Autowerkstatt; nachts verdingt er sich als Fluchtfahrer für Einbrecher. Der Driver ist ein Held der Geschwindigkeit: schweigsam und konzentriert, präzise und einsam.
Gleich die großartige Exposition von „Drive“, eine meisterlich inszenierte Flucht zwischen forcierter Bewegung und abruptem Stillstand, bringt dies zum Ausdruck. Dabei erfüllt der dänische Regisseur nur teilweise die Genre-Konventionen. Indem er gegen die Materialität des Autowettstreits immer wieder die Zeit anhält, setzt er Zäsuren, in denen die Spannung wächst. Damit evoziert er zugleich eine traumwandlerische Atmosphäre, die zum Element des Außenseiters wird und ihn wie eine Schutzhülle umgibt. Diese Unabhängigkeit wird emotional aufgebrochen, als der Driver seine Wohnungsnachbarin Irene (Carey Mulligan) und ihren kleinen Sohn Benicio kennenlernt. Da Irenes Mann Standard (Oscar Isaac) im Knast sitzt, übernimmt der Driver zunehmend die Rolle des Ersatzvaters, Freundes und Beschützers. Aber Refn spielt das nicht aus, stilisiert auch die aufkeimende Liebe über Andeutungen und Blicke. Einmal legt Irene ihre Hand auf diejenige des Drivers über der Gangschaltung.
Die Abhängigkeiten und Verwicklungen nehmen noch zu, als Standard entlassen und von früheren Auftraggebern brutal erpresst wird. Plötzlich findet sich der Driver, der sich selbstlos für die Familie einsetzt, inmitten von Schuld und zunehmender Gewalt. Deren brutale Exzesse folgen einer abstrusen Logik des Tötens, die etwa in den blutigen Codes des Mafiafilms gespeichert ist. „Woran erkennt man die Bösen?“, fragt einmal sinngemäß der kleine Benicio. Und der Driver zeigt ebenso plötzlich wie direkt seine dunkle, aggressive Seite. Allein gegen alle wird er zum Einzelkämpfer und wütenden Rächer, der mit hehren Idealen und dem Auto als Waffe in den Krieg gegen einen übermächtigen Feind zieht, um die Ordnung der Familie und der Gefühle und damit auch seinen Außenseiterstatus wiederherzustellen. Dabei wird seine Jacke mit dem Skorpion-Aufdruck immer blutiger. Denn in der Welt jenseits des Gesetzes, wo der Kreislauf der Rache immer neue Verbrechen zeugt, verspricht nur der Tod eine Erlösung. Nikolas Windung Refn inszeniert diese als eine Art Wiedergeburt zur Herstellung der alten Ordnung.