Yony Leysers Dokumentarfilm über William S. Burroughs beginnt mit einem Zitat über den „Geruch des Todes“ und endet mit einer Tagebucheintragung über die „Liebe als Schmerzmittel“. Das ist gewissermaßen die emotionale Bewegung, die der materialreiche Film beschreibt. Doch zunächst ist der legendäre Beat-Poet bei einer Rezitation seines „Thanksgiving“ zu sehen und zu hören: Die Demontage des american dream, die „parasitäre“ Natur des Menschen und der eigene Außenseiterstatus erscheinen darin als Themen eines bitteren Abgesangs, der zugleich Schlaglichter wirft auf die künstlerischen Abweichungen dieses gegenkulturellen Avantgardisten. Doch nicht die Literatur mit ihren rauschhaften Sprachbewegungen und assoziativen Cut-ups steht im Mittelpunkt von Leysers Portrait-Film „William S. Burroughs: A man within“, sondern der Charakter und die wesentlichen Motive eines außergewöhnlichen Menschen.
„Ich aber wollte nicht die Kunst, sondern sein Leben auf Film erfassen: seine Persönlichkeit, seine Freunde und wen er beeinflusste“, schreibt Yony Leyser im Regiekommentar zu seinem Film. Und so lässt er viele Wegbegleiter, Freunde und Verehrer zu Wort kommen, deren Zeugnisse und Einschätzungen zugleich ihren eigenen künstlerischen Werdegang beleuchten. In diesem gedanklichen Austausch, der zwischen Bericht und Bekenntnis changiert, wird Burroughs‘ vielfältige Bedeutung als generationsübergreifende Integrationsfigur zwischen Beat, Pop und Punk deutlich. Mit der Beat Generation artikulierte der 1914 in St. Louis geborene Schriftsteller in den 1950er Jahren ein Gefühl der „geistigen Befreiung“, wie sein Mitstreiter Allen Ginsberg meint. Als Junkie und Waffenfetischist suchte er eine Verbindung zwischen Freiheit und Kontrolle, Exzess und Abhängigkeit. Und als (damals noch gesellschaftlich geächteter) Homosexueller führte er ein queeres Leben im Verborgenen.
John Waters, Patti Smith, Iggy Pop, Laurie Anderson und Gus Van Sant sind einige der Befragten, die kenntnisreich und mitunter sehr persönlich ein Bild von Burroughs zeichnen und seine Bedeutung für ihre eigene Entwicklung betonen. Dabei wird auch deutlich, dass der aus der Oberschicht stammende Portraitierte zeitlebens ein distanzierter Einzelgänger war, der sich weder Regeln unterwarf noch von irgendwelchen Gruppen vereinnahmen ließ und dem es schwer fiel, Gefühle zu zeigen. Insofern lässt sich Burroughs‘ eingangs erwähnte letzte Tagebucheintragung auch als spätes emotionales Bekenntnis eines einsamen Menschen verstehen.