„Inspiriert von wahren Begebenheiten“ prangt groß auf dem Cover von „Whistleblower“ und es ist eine ziemliche Bürde für einen Thriller, zumal noch wenn der deutsche Verleih den Allerwelts-Untertitel „In gefährlicher Mission“ addiert und damit die Stoßrichtung bzw. das Excitement vorgibt, das irgendwo zwischen James Bond und Ethan Hunt angesiedelt zu sein scheint und eben nicht im Spannungsfeld von Menschenrechtsverletzungen und UN-Konventionen.
Aber von Anfang an: Die US-amerikanische Polizistin Kathryn Bolkovac verpflichtet sich für einen gutdotierten Halbjahresjob als „Peacekeeper“ beim Beobachtungseinsatz der Vereinten Nationen im Nachkriegsbosnien. Ihre Motive sind zunächst rein privater Natur – auf lange Sicht möchte die Karrierefrau endlich das Sorgerecht für ihre Tochter zurückgewinnen. Das Geld und die bewiesene Flexibilität sollen als Argumente helfen. Im kriegswunden Sarajevo sind jedoch alle taktischen Erwägungen vergessen, schnell eckt sie bei ihren pragmatischen bis desillusionierten Kollegen mit ihrem Engagement insbesondere für die misshandelten und unterdrückten Frauen an. Andererseits weckt ihr Einsatz auch das Interesse der UN-Menschenrechtsorganisation, die Kathryn rasch befördert. Je tiefer sie in die Materie eindringt, umso schmutzigere Wahrheiten kommen zu Tage – schließlich stößt Kathryn auf einen Mädchenhändlerring, der gar von hochrangigen Mitarbeitern der Vereinten Nationen gedeckt wird. Sie ist einem Skandal auf der Spur und wird somit zum titelgebenden „Whistleblower“, indem sie ihre internen Kenntnisse nutzt, um die unfassbaren Geschehnisse öffentlich anzuprangern.
Die kanadische Regisseurin Larysa Kondracki hat sich für ihr Langfilmdebüt eine ganze Menge vorgenommen und ihr aufrichtiges Engagement scheint in jeder Szene durch. Allerdings verlässt sie sich schließlich doch auf eine recht konventionelle Spannungsdramaturgie, die zwar dem Genre, nicht aber dem Sujet eingehender gerecht wird. So bleiben viele Aspekte an der Oberfläche haften, wie etwa ein Subplot, in dem die von Monica Bellucci dargestellte Leiterin einer NGO Kathryn Bolkovac schnöde auflaufen lässt. Wesentlich gelungener geraten dagegen die emotionalen Momente, die sensibel entwickelt sind und einige Male wirklich unter die Haut gehen. Dabei wird Kondracki von einem beeindruckenden Ensemble unterstützt, allen voran den Oscar-Preisträgerinnen Rachel Weisz und Vanessa Redgrave, einem manchmal etwas verloren wirkenden David Straithairn sowie – dank deutscher Co-Produktion – Jeanette Hain und Paula Schramm als Ukrainerinnen (!).
Am Ende jedoch, wenn die letzte Texttafel, die die weiteren Entwicklungen von Kathryn Bolkovac und des vorliegenden Falls darlegt, in den Abspann hinübergleitet, stellt sich das unbestimmte Gefühl ein, ob der Thematik nicht besser ein Dokumentarfilm gedient hätte – die „wahren Begebenheiten“ scheinen immer wieder als akribisch aufzudröselnde Sisyphosarbeit durch, der ein Spielfilm im Allgemeinen und „The Whistleblower“ im Speziellen einfach nicht gerecht wird.