Auf den ersten Blick sehen die Asanas genannten Yoga-Übungen, die ein alter Demonstrationsfilm vom Meister Krishnamacharya und seinen Schülern zeigt, eher anstrengend und „ungesund“ aus. Und doch zeugen die perfekt ausgeführten, harmonisch wirkenden Körperhaltungen von einem hohen Maß an geistiger Konzentration und Energie. Geradezu artistisch biegen sich die Körper in komplizierte Stellungen. Es wundert deshalb kaum, dass Yoga in seinen Anfängen von vielen als eine Art spektakuläre Zirkusdarbietung
angesehen wurde, die von „Scharlatanen und Halbdebilen“ praktiziert wurde. Das jedenfalls behauptet der berühmte Yoga-Lehrer B. K. S. Iyengar, der zum Yoga kam, um diese Vorurteile zu widerlegen. Und der zugleich von der Zurückweisung durch seinen Lehrer und Schwager T. Krishnamacharya angestachelt wurde, seine Befähigung unter Beweis zu stellen. Dieser ebenso legendäre wie unerbittlich strenge „Lehrer der Lehrer“ steht im Zentrum von Jan Schmidt-Garres „Reise zum Ursprung des modernen Yoga“, wie seine filmische Spurensuche „Der atmende Gott“ im Untertitel heißt.
Doch die historischen Fakten und überlieferten Dokumente, für die der eingangs erwähnte Film ein beeindruckendes Beispiel ist, sind ansonsten spärlich. Krishnamacharyas südindischer Geburtsort Muchukunte, wo er um 1890 zur Welt kam, wurde umgesiedelt; und die heutigen Dorfbewohner wissen nur Widersprüchliches zu berichten. Also befragt Schmidt-Garre, der selbst Yoga praktiziert und sich in einigen Szenen dem anstrengenden Unterricht aussetzt, die Kinder und ehemaligen Schüler Krishnamacharyas an den Orten seines Wirkens. Neben Iyengar trifft er unter anderen auf den 1915 geborenen Pattabhi Jois, der während der Dreharbeiten starb. In seiner Schule in Mysore erzählt Jois von der harten Schule des Meisters, der seine Schüler oft mit Schlägen traktierte und in schmerzhafte Asanas zwang.
Jan Schmidt-Garres sehr persönlicher Versuch, mit noch lebenden Zeitzeugen, wenigen Fakten und körperlich-geistiger Selbsterfahrung die Geschichte des Yoga und seiner verzweigten Praxis zu rekonstruieren, erweist sich für den Laien teils als speziell und uneinheitlich. Der religiöse Ursprung des Yoga und die genaue Bedeutung seiner Techniken entziehen sich immer wieder. Doch gerade im Ungreifbaren und den Verschiebungen zeigt sich andererseits der gemeinsame spirituelle Kern dieser ganzheitlichen Lehre, die dazu verhelfen soll, durch konzentrierte Koordination von Atem und Bewegung den Geist zu kontrollieren und die körperliche Vitalität zu steigern. Idealerweise kommt dabei die Seele des Yogis mit Gott in Kontakt.