Der amerikanische Mythos vom selbstgemachten Erfolg lastet schwer auf Casey Afflecks Fake-Dokumentation “Im Still Here”, die man genauso gut als pseudo-dokumentarischen Spielfilm bezeichnen könnte. Noch in seiner Negation geht es ums Gewinnen, noch im Scheitern um den heroischen Auftritt. Um sich als „Siegertyp“ einzuführen, genügt dem Schauspieler Joaquín Phoenix ein Ausschnitt aus einem Familienfilm, der ihn als Kind beim mutigen Sprung von einem Wasserfall zeigt. Doch einige Szenen weiter, auf dem Höhepunkt seines Erfolgs als Schauspieler, empfindet er diesen bereits als „selbstgebautes Gefängnis“. Im dunklen Kapuzen-Shirt und mit dem Rücken zur Kamera nuschelt und lallt er sich seinen Frust von der Seele: Er wolle keine „Marionette“ mehr sein, sondern nach seinem persönlichen Ausdruck suchen und dabei sein „Innerstes zeigen“. Doch Phoenix‘ angekündigter Ausstieg aus dem falschen Traum ähnelt eher einem letztendlich folgenlosen Experiment in der Möglichkeitsform.
Ausgerechnet als Hip Hop-Musiker will sich der populäre Schauspieler nach seiner Abkehr vom Filmgeschäft neu erfinden. Der Film seines Kollegen und Schwagers Casey Affleck soll diesen Prozess wiederum dokumentieren. Aber schon die Voraussetzungen dafür sind von jenen Krankheitserregern infiziert, die hier angeblich bekämpft werden sollen. Denn zum einen handelt es sich hier natürlich um ein luxuriöses Projekt mit doppeltem Boden; zum anderen wählt Phoenix nur andere Mittel der Selbstinszenierung: Er lässt sich Haare und Bart wachsen, gibt sich schwerfällig und unberechenbar, fühlt sich unverstanden und spricht kaum einen Satz ohne das F-Wort. In wüsten Szenen, in denen Drogen und Sex, Provokationen und Streitereien den Klischees vom Showgeschäft zuarbeiten, zelebrieren Affleck und Phoenix das absehbare, wenn nicht gar gewollte Scheitern ihrer Kunstfigur „JP“ als langsames Untergehen.
Weil Joaquín Phoenix‘ Traum von einem Neubeginn als Suche nach der wahren Identität mehr oder weniger von Fiktionen ummantelt ist, bleibt auch das (dokumentarische) Bild der Wirklichkeit von Manipulationen infiltriert. „I’m Still Here“ vereint deshalb vor allem eine wenig inspirierte Selbstparodie mit einer etwas zähen Satire auf das Showbusiness. So wirkt der Film über weite Strecken wie ein schludrig montiertes Amateurvideo, vollgestopft mit hohlen Aktionen, die den darunterliegenden Leerlauf nur unzureichend kaschieren können. Nur wenige Szenen erzeugen jene flirrende Intensität, in denen die sicheren Zuordnungen versagen und die Verwischung der Grenze zwischen Fiktion und Realität irritierend wird.