Nach nihilistischen Pulp- und Gothicfilmen (Mystic River', 'Million Dollar Baby') widmet sich Clint Eastwood nun wieder einem Thema, das mit der katastrophalen Gemütsstimmung seiner Landsleute deutlich korrespondiert. Wenn Amerika sich im Kriegszustand befindet, dreht man in Hollywood ja lieber Romantic Comedies oder einen neuen Jerry Bruckheimer. Dass Clint Eastwood mitten im 'war against terror' einen Film wie 'Flags of Our Fathers' durchboxen konnte, hat auch damit zu tun, dass man in Hollywood bei Kriegserinnerungsfilmen immer noch eher an 'Pearl Harbour' als an 'Big Red One', Sam Fullers definitives Statement zum Zweiten Weltkrieg, denkt.
Und was macht Eastwood? Er dreht nicht nur ein dumpf brütendes Antiheldenepos über die blutigste Schlacht der Amerikaner auf der japanischen Insel Iwo Jima; er wird denselben Film 2007 gleich noch mal in die Kinos bringen – dann aus japanischer Sicht. 'Flags of Our Fathers' verweigert sich konsequent jedem Kriegspathos, vor dem auch der sogenannte Antikriegsfilm nie ganz gefeit ist. Eastwood erzählt von den inneren Kämpfen der armen Teufel, die vom Schlachtfeld als Helden zurückkamen. Die Ikone der Kriegsfotografie schlechthin, Joe Rosenthals Schnappschuss vom Flaggenhissen auf dem Mount Suribachi, dient ihm bei seiner Demontage amerikanischen Heldentums als Vorlage. 'Helden sind etwas, das wir schaffen, etwas, das wir brauchen', heißt es am Ende. Das könnte auch die Quintessenz von Eastwoods pessimistischem Spätwerk sein, angefangen mit 'Erbarmungslos'.
Selbst das Hissen der US-Flagge ist Inszenierung. 'Okay, wer möchte heute ein Held sein?' spaßen die Soldaten, bevor sie sich für die Kamera in Pose schmeißen. Zurück in der Heimat werden die tapferen Soldaten, die die Hosen gestrichen voll haben, dann auf Promotiontour für Kriegsanleihen geschickt, damit der Kampf in ihrem Namen weitergehen kann. Diese Form der Kriegs- und Heldenvermarktung führt Eastwood sarkastisch vor, wenn die Soldaten bei einem Bankett Desserts serviert bekommen, die ihrer Pose nachempfunden sind – übergossen mir Erdbeersoße.
'Flags of Our Fathers' erinnert in seinen Flashbacksequenzen an einen düsteren Fiebertraum (einmal schneidet Eastwood die Eroberung von Suribachi parallel mit der nachgestellten Schlacht im Chicagoer Soldier Field Stadion); seine postheroischen Kämpfer agieren blind und orientierungslos.
Eastwood hat keinen großen Film gemacht, aber er zeigt Größe. Ein Affront ist seine Kritik am Krieg nicht mehr. Doch 'Flags of Our Fathers' ist der Film, den Spielberg, hier ausführender Produzent, mit 'Saving Private Ryan' gerne gemacht hätte.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 01/2007