Vom Cover blicken dem Betrachter Hardy Krüger als verwegener Cowboy und Paul Breitner als US-amerikanischer Soldat entgegen, ihre Namen darüber zerstreuen letzte Zweifel am eigenen Sehvermögen schon im Ansatz. Der albern anmutende Titel „Potato Fritz“ scheint den instinktiven gehegten Verdacht zu bestätigen, die Schublade mit dem Etikett „German Trash“ steht zur Einordnung des Films bereits sperrangelweit offen. Doch weit gefehlt: Peter Schamonis Western, der dieser Tage von absolut medien auf DVD veröffentlicht wird, ist eine noch weitaus größere Kuriosität, als es der Blick auf die Verpackung erahnen lässt …
Eine siebenköpfige Gruppe amerikanischer Soldaten begibt sich mit 30.000 Dollar auf den Weg zum Indianerhäuptling Asuke, um ihm mit dem Geld Land zur Besiedlung durch Weiße abzukaufen. Doch die Soldaten geraten in einen Hinterhalt, werden umgebracht, das Geld gestohlen. Ein Jahr später sitzen die Siedler, die längst ihr neues Land bezogen haben sollten, immer noch in einem Tal um das Fort Lang fest; jeder Versuch, es zu verlassen – in welche Richtung auch immer – wird von den Indianern unterbunden. Einer der Siedler ist der Deutsche Friedrich Jensen (Hardy Krüger): Er hat sich als einziger ein Fleckchen Erde genommen und dort Kartoffeln angepflanzt, was ihm den Spitznamen „Potato Fritz“ eingebracht hat. Auch die regelmäßigen Angriffe der Indianer auf sein Land können ihn nicht vertreiben. Als es dem Fremden Bill Ardisson (Stephen Boyd) gelingt, sich bis nach Fort Lang durchzuschlagen, kommt Bewegung in die verfahrene Situation: Denn er hat den Verdacht, dass es nicht die Indianer sind, die sich das Geld unter den Nagel gerissen haben …
Der diesen Sommer im Alter von 77 Jahren verstorbene Peter Schamoni ist eine der großen Filmpersönlichkeiten Deutschlands: 1962 gehörte er zu den Unterzeichnern des Oberhausener Manifests, das als Initialzündung des Neuen Deutschen Films maßgeblichen Einfluss auf die deutsche Filmlandschaft hatte. Sein Spielfilmdebüt von 1965, „Schonzeit für Füchse“, wurde mehrfach prämiert, unter anderem mit dem Silbernen Bären, er fungierte 1967 als Produzent der Erfolgskomödie „Zur Sache, Schätzchen“ von May Spils und wurde 1973 für die Dokumentation „Friedensreich Hundertwasser“ für einen Oscar nominiert. Schon diese kurze Liste lässt erahnen, was man von „Potato Fritz“ nicht erwarten sollte: standardisiertes Genrekino oder exploitativen Trash. Schon der Auftakt des Films, der Überfall auf die Soldaten, ist als Verstoß gegen die Western-Konventionen inszeniert. Statt blutiger Einschüsse und fallender Opfer gibt es von Schussgeräuschen untermalte Impressionen des teilnahmslosen Wildlebens, erst dann wagt Schamoni einen vorsichtigen Blick aus sicherer Distanz auf das sich unter ihm darbietende Schlachtfeld. Später löst er eine Schlägerei in einer Blockhütte mit im Rhythmus der Schlaggeräusche geschnittenen Detailaufnahmen des Hauses auf und seinem Titelhelden drückt er auch erst ganz zum Schluss eine Waffe in die Hand. Was auf den ersten Blick eine deutsche Antwort auf den Mitte der Siebzigerjahre noch einmal ein kleines Revival feiernden Italowestern zu sein scheint, ist überhaupt nur hinsichtlich seines Sujets ein Western. Statt von der das Genre sonst prägenden Weite wird „Potato Fritz“ von fast reduktionistischer Enge bestimmt, die ihm etwas entschieden Theater- und Parabelhaftes verleiht, und die Enthüllungen im letzten Drittel des Films rückten ihn eher in die Nähe von Murder Mystery und Whodunit, wenn Schamoni sich der Erzeugung von Spannung mit seiner Inszenierung nicht so offensiv entgegenstellen würde. Die ikonografische „Falschheit“ des deutschen Westerns, der sein Monument Valley in Andalusien oder Jugoslawien aufbaut, blendet er nicht etwa aus, sondern nutzt sie für sich: Man weiß nie ganz genau, wann man seine Bilder ernst nehmen muss und wann die suspension of disbelief nötig ist.
„Potato Fritz“ wird aufgrund der Teilnahme des Fußballstars Breitner meist als Kuriosität im Stile des Beckenbauer-Vehikels „Libero“ (Wigbert Wicker, Deutschland 1973) rezipiert, was in mehrfacher Hinsicht Unsinn ist. Zum einen, weil Breitner lediglich eine kleine Nebenrolle spielt, zum anderen, weil „Potato Fritz“ ein zwar ungewöhnlicher, aber eben auch ein durch und durch kompetenter Film ist. In Szenen wie jener, in der ein arroganter, selbstgerechter Prediger (Peter Schamoni selbst) sich mit weit ausgebreiteten Armen und nur mit der Bibel bewaffnet einer Büffelherde nähert und die „Dämonenbrut“ mit dem Wort Gottes zu vertreiben versucht, tritt der gesellschaftskritische und satirische Impetus von Schamonis Film deutlich in den Vordergrund, lässt der Regisseur keinen Zweifel daran, dass das Westernsujet für ihn kaum mehr als eine Maske ist, derer er sich spielerisch bedient. Das heißt jedoch nicht, dass er das Genre mit der Herablassung des intellektuellen Künstlers behandelte: Schon in der Besetzung zeigt sich die Liebe zum größten aller Filmgenres. Neben internationalen Filmstars wie Hardy Krüger, Stephen Boyd und Anton Diffring treten so markante Gesichter wie Arthur Brauss, der kürzlich verstorbene David Hess und Dan van Husen neben deutschen Schauspielgrößen wie Rainer Basedow, Friedrich von Ledebur oder Diana Körner auf.
Wer sich für die Randphänomene des deutschen Kinos interessiert, kommt an „Potato Fritz“ mithin nicht vorbei. absolut medien erleichtern die Kaufentscheidung der DVD, die als Begleitwerk zum cinefest 2011, dem internationalen Festival des deutschen Filmerbes, erscheint, durch die Beigabe von fünf Kurzfilmen mit Westernbezug, von denen eine rührende Dokumentation zum Indianistik-Treffen in Erfurt 1972 und der preisgekrönte „L’ultimo pistolero“ mit Franco Nero hervorzuheben sind.