Schon die Schärfenverlagerung in den Vorspanntiteln, die nur für Augenblicke deutlich lesbar sind, weist auf das Mysteriöse hin, das sich im Folgenden ereignet. Das Spiel mit dem Undeutlichen und Ungreifbaren, das sich rationalen Erklärungen entzieht, charakterisiert Hendrik Handloegtens Film „Fenster zum Sommer“. Eben noch genießt die 35-jährige Juliane (Nina Hoss) unter dem milden Licht einer finnischen Mittsommernacht ihr neues Liebesglück mit August (Mark Waschke), als sie plötzlich im winterlichen Berlin aufwacht. Die Zeit ist um etwa ein halbes Jahr zurückgestellt. „Jetzt ist alles wieder früher“, sie habe „alles schon erlebt“, sagt die äußerst verwirrte Juliane, die sich wie in einem lebensechten Traum wähnt. Denn ihr langjähriger Freund Philipp (Lars Eidinger) und ihre beste Freundin Emily (Fritzi Haberlandt) sind noch ganz die Alten, während sich ihr Leben zu wiederholen beginnt.
Kann man alles anders machen und etwaige Fehler vermeiden, wenn man seine Zukunft kennt? Ist das Leben vorherbestimmt oder kann man seinem Schicksal entgehen? Wird das Handeln von Zufällen geleitet? Mit solchen und ähnlichen hypothetischen Fragen beschwert Handloegten die Protagonistin seines Films, der in schwelgerischen Bildern und mit dominanter Filmmusik mehr um eine Idee und ihre unscharfen Prämissen kreist, anstatt eine Geschichte mit Menschen aus Fleisch und Blut zu erzählen. Entsprechend illustrativ und zeichenhaft sind die Schauplätze gewählt und eingesetzt: vom verträumten, liebesromantischen Mittsommernachtsidyll, über das in gefühlter Winterstarre liegende Berlin, bis ins überstilisierte Weiß des Krankenhauses, in das die technische Übersetzerin nach einem Schwächeanfall eingeliefert wird.
Immer wieder inszeniert Hendrik Handloegten eine geheimnisvolle Atmosphäre mit Bildern von langen, endlos scheinenden Fluren, spiralförmigen Treppen, zeitlupenhaften Bewegungen und „Rückblenden“ in eine bereits erlebte und deshalb paradoxerweise erinnerte Zukunft. Deren Zentrum ist jener magische Moment (am fiktiven 12. Mai 2011), in dem sich die Liebenden erkennen und der wiederum mit einem tragischen Unglücksfall verknüpft ist: Als bräuchte das Glück ein Opfer und die Liebe ein Gefühl der Schuld, die es abzutragen gilt. Vielleicht bekommt Juliane (im Umweg über ein Kind) deshalb eine zweite Chance für eine Korrektur ihres Lebens, deren Notwendigkeit jedoch nicht ganz einleuchtet. Doch im deterministischen Konzept diese Films haben die Figuren nicht wirklich eine Wahl. Alles kommt so, wie es letztlich kommen muss.