Der Autor lässt auf sich warten, sein Platz vor dem neugierigen Publikum in der toskanischen Stadt Arezzo ist noch leer. Vertreten wird der britische Schriftsteller James Miller (William Shimell) in der ersten Einstellung des Films gewissermaßen von seinem Buch „Copie conforme“ (Die perfekte Kopie), einer Studie über den Wert der Kopie. Doch entgegen dem saloppen Untertitel des Buches solle die gelungene Kopie nicht das Original vergessen machen, sondern zu ihm hinführen, sagt Miller schließlich kurz darauf im Rahmen der Buchpräsentation. Denn das Original verkörpere den authentischen Ursprung, von dem aus sich die Herkunft einer Kopie ableite. Kulturelle Abbilder seien deshalb Instrumente der Selbsterkenntnis. Doch was lässt sich verstehen, wenn sich das vermeintliche Original in einer Art fortschreitendem Rekurs selbst immer wieder als Kopie erweist und sich also seiner Einmaligkeit entzieht?
Nichts ist sicher in Abbas Kiarostamis neuem Film „Die Liebesfälscher“ (der im Original seinerseits „Copie conforme“ heißt), einem ebenso komplexen wie raffinierten Spiel um Sein und Schein, Fiktion und Wirklichkeit. Denn bald verknüpft der iranische Meisterregisseur den komplizierten Kunstdiskurs über subjektive und objektive Schönheit mit einer hintergründigen Ehekrise, die zunächst als Wiederholung einer Liebesgeschichte beginnt und im dunklen Kellergewölbe eines Antiquitätenladens ihren Ausgang nimmt. Hierher hat dessen kunstsinnige Besitzerin (Juliette Binoche) den schöngeistigen Autor eingeladen. Kurz darauf ist das sympathische Paar, das vielleicht nur als Modell, Kopie oder Abbild eines Paars fungiert, über Kunst diskutierend unterwegs, während sich in Spiegelungen die identifizierbaren Umrisse der Protagonisten verlieren oder ihr Spiegelbild zu ihrem Stellvertreter wird. Inmitten junger Brautpaare und alter Eheleute flanieren sie durch jenen Ort, der fünfzehn Jahre früher vielleicht der Ort ihrer Verheiratung war und jetzt zum imaginären Museum ihrer Erinnerung wird.
In doppeldeutigen Bildern und Dialogen, getragen von einem ruhigen, konzentrierten Tonfall, erzählt Kiarostami vom Wandel der Liebe, ihrer „süßen Illusion“ und dem „bitteren Geschmack der Realität“, dem Glück des Augenblicks und dem „Garten ohne Blätter“. „Das Ideal existiert nicht“, lässt er eine alte, lebensweise Wirtin sagen, während die Frau und der Mann mit Worten um das richtige Maß zwischen Selbstverwirklichung und gegenseitiger Verantwortung in einer Beziehung ringen. Ohne diesen modernen Streit zu lösen, plädiert Kiarostamis Film für die Kraft der einfachen, dem Nächsten zugewandten Geste und für „die Nachsicht mit der Schwäche der anderen“, was vom Alleinsein befreie. Vielleicht hat deshalb in diesem schönen Film Glockengeläut das letzte Wort.