Ein wenig kann man bei diesem Comeback schon denken, dass ein alter Meister dem Zeitgeist die lange Nase zeigen will: John Carpenter hat nach fast 10 Jahren einen neuen Film gedreht. In der Zwischenzeit wurden bereits drei seiner wichtigsten Werke als Remakes der Gegenwart angepasst. Es wird an Rob Zombies genreaffinem, demütigem Umgang mit dem Film und dessen Rezeptionsgeschichte liegen, dass seine Lesart von „Halloween“ (2007) die konfektionierten Updates von „Das Ende“ (2005) und „The Fog“ (ebenfalls 2005) vergleichsweise monumental überstrahlt. Carpenter selbst hingegen produzierte seit seinem Horror-Sci Fi-Kiesgruben-Desaster „Ghosts of Mars“ (2001) nur noch zwei Episoden der amerikanischen TV-Serie „Masters of Horror“ (2005/2006). Seine Reputation verdankte sich da schon längst nicht mehr seinem gegenwärtigen Schaffen, sondern schien mindestens so anachronistisch wie die Art seines Filmemachens selbst.
John Carpenter ist, man liest es oft, ein verbissener Handwerker, ein stoischer Genre-Auteur, der nach wie vor unbeirrt mit jener Hacke auf seinen Materialsteinbruch drischt, die ihm schon in frühen Jahren zu Ruhm verhalf, und auch wenn diese Eigenschaft bei vielen seiner Kollegen als hochgeschätzte Tugend angerechnet wird, ob sie nun Samuel Fuller oder Don Siegel heißen, befindet er sich in der ständigen Bringschuld, seine meist eben auch künstlerischen Flops durch ein formidables Alterswerk mit einem selbstbewussten Ausrufezeichen zu versehen. Man betrachte die Entwicklung einiger Generationsweggefährten, beispielsweise Tobe Hooper oder Dario Argento, und erkennt sehr schnell den Unterschied zwischen schlechter Regie und schlechter Drehbuchwahl. Ausgefeilte Plots oder differenzierte Psychologisierungen zeichneten Carpenters Filme nie aus, sondern stets die Beschränkung von Raum und Zeit; seinen typisierten Figuren blieb nicht mehr, als auf die Situation zu reagieren, in die sie meist schon nach wenigen Minuten geworfen wurden.
Dieses Prinzip strukturiert auch „The Ward“, einen Klinikhorrorfilm, der, wäre die Welt ein gerechter Ort, Carpenter zumindest ansatzweise rehabilitieren sollte, gärte in der Kritik nicht diese lausige Symbiose aus Häme und Geschichtsblindheit. Peinliche Anbiederungsversuche an Erzählkonventionen, an Muster der Torture Porns und des unzuverlässigen Erzählens, sowie stereotype Charakterentwürfe zählt man diesmal auf der Minusseite. Belegt letzteres ganz banal lediglich die Unfähigkeit, den Plot überhaupt erst einmal für sich zu dechiffrieren, vergisst ersteres wahlweise Carpenters Ouevre oder die Bildgesetze des Horrorfilms selbst, die hier, wenn überhaupt, ikonografisch im Gewand des weitaus betagteren Slasherfilms in Erscheinung treten.
Der Film setzt mit einer straighten Ausgangssituation in den 60er Jahren ein: Kristen (Amber Heard) hetzt im Nachthemd durch einen abgestorbenen Wald, verharrt vor einem Landhaus und brennt es triumphierend nieder. Von der Polizei wird sie daraufhin in eine psychiatrische Klinik verfrachtet, wo man mindestens ebenso ratlos über Kirstens Herkunft und Handeln räsoniert wie sie selbst. Sehr dialogarm geht das in ersten 20 Minuten von statten, Carpenter etabliert die Anstalt einzig über die Mise-en-scène als bedrohlichen, fremden Ort, in dem sich Zuschauer wie Protagonistin schlagartig orientieren müssen. Vier weitere Frauen befinden sich auf Kristens Station, die vom ansonsten überschaubaren und undurchsichtigen Personal – Typus: ruppiger Pfleger, ignorante Stationsschwester, diabolischer Arzt – überwacht werden. Schnell stellt sich heraus, dass auf den Gängen etwas umhergeht, was nicht von irdischer Herkunft sein kann und scheinbar mit den Biographien von Kristens Mitinsassinnen zusammenhängt …
Nichts an diesem Szenario ist neu, und weil dies bei Carpenter nie anders war, konzentriert sich der gesamte Bildapparat darauf, das Geschehen auf seine narrative Effektivität abzuklopfen. Das erzeugt heute, wo jüngere Produktionen wie „The House of the Devil“ oder „Super 8' sich sogar im Inszenierungsverfahren auf vergangene Dekaden berufen, umso anschaulicher einen unfreiwilligen Retroeffekt, der Carpenters Stärke hervorhebt: Keine Nebenerzählungen, kein Bilderstakkato, kein Meta und keine Ironie entfernen von dem Zentrum der Angsterzeugung (selbst der geringfügige Einsatz von Ellipsen zu Beginn erhöht allenfalls den Eindruck, als wolle die Erzählung so schnell wie möglich im Sanatorium ankommen), das sich – wie schon in „Das Ende“ (1976), „The Fog“ (1980), „Das Ding aus einer anderen Welt“ (1982) oder „Die Fürsten der Dunkelheit“ (1987) – als angsteinflößender Ort, von dem jede Flucht unmöglich ist, vollkommen selbst genügt. Das Rad bleibt also nach altbekannter Manier in Bewegung; was höchstens ausbleibt, sind Überraschungen (zu denen u.a. zählt, dass der einst so charakteristische Synthiescore Carpenters recht sphärischen Tönen gewichen ist).
Trotzdem ist es ein wahrer Genuss, dabei zuzusehen, wie eine dezent und bedacht platzierte Kamera, die sich nie grundlos in Bewegung setzt und eine Montage, die schlicht und ergreifend dem Anschluss und keiner weiteren Manierismen verpflichtet ist, mit einer gewissen Leck mich-Attitüde in den besten Momenten für ambitionierten old school-Schauder sorgen, der weniger seinem Plot als seinem Setting vertraut. Wenn dann der finale Plot Point nach heutigen Maßstäben konventionell daher kommt, sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihn kein vorausgegangenes Element im Sinne eines bloß schockorientierten Budenzaubers, der überwältigen, aber keine Zusammenhänge herstellen will, ankündigte.