Ein Remake, das einige Umwege wagt, um sich von seiner Vorlage zu emanzipieren: Tom Hollands gleichnamige Vampir-Funsplatter-Komödie aus dem Jahre 1985 besaß Charme, weil sie, neben komödiantischer Coming of Age und der Bedrohung des vorstädtischen Idylls durch einen Vampir in der Nachbarschaft, auch noch die Erzählmodi des Horrorfilms parodistisch, aber niemals albern kollidieren ließ: Der pubertierende Charlie Brewster, der seinem Umfeld vergebens zu erklären versucht, dass sich im Nachbarhaus ein Vampir sesshaft gemacht hat, versucht darin, den alternden TV-Moderator einer Gruselschmonzetten-Sendung Peter Vincent (eine gleich zweifache Hommage an die Dauerrivalen Peter Cushing und Vincent Price) als Unterstützer für seinen aussichtslosen Kampf zu gewinnen. Nur ist dieser Repräsentant des Gothic-Horrors alter Schule nicht sonderlich erpicht darauf, auf die modernen Vampire zu treffen, bei denen nur die wenigsten der früheren Hausmittelchen wirksam sind.
Die Rolle des einstigen Fernseh-Van Helsings übernimmt im Remake ein schillernder Fernseh-Magier (David Tennant), der in Las Vegas über sein eigenes Megacasino herrscht. Mittlerweile sind die Säulen des modernen Horrorfilms selbstreflexiv genug geraten, als dass sich noch aus der alten Differenz zwischen Tradition und Modifikation erzählerisches Kapital schlagen ließe. Auch sonst wurde wenig von der Vorlage adaptiert: Charlie Brewster (Anton Yelchin) muss nun nicht mehr gehemmt sein sexuelles Erwachen fürchten, sondern versucht, durchaus erfolgreich, sein Schulimage als Nerd abzulegen, wobei der Status seiner Freundin Amy (Imogen Poots) das Seinige dazu leistet. Folglich ist es auch nicht Charlie, der den neuen Nachbarn Jerry (Colin Farell) als Vampir identifiziert, sondern sein unscheinbarer Freund Ed (Christopher Mintz-Plasse), den die schrumpfende Schülerzahl in der Klasse, die sonst niemanden weiter interessiert, zu Nachforschungen animiert. Bevor er jedoch Charlie vollends von seinen Beobachtungen überzeugen kann, wird er von Jerry gebissen und verwandelt. Nachdem Charlie doch noch zufällig in den Dokumenten von Ed auf die unliebsame Wahrheit stößt, ist es ein leichtes, seine Mutter und Amy für sich zu gewinnen, denn Jerry gibt sich herzlich wenig Mühe, seine Alterität zu verbergen. Statt, wie einst beim Original, geduldig darauf zu warten, ins Haus der Brewsters eingeladen zu werden (denn anders können sie Vampire nicht betreten, so will es das Gesetz), brennt er es kurzerhand nieder. Fliehen und Jagen wird von nun an zum zentralen Movens des Films, und es ist schon auffällig, wie stark Regisseur Craig Gillespie dabei den Humor der Vorlage auf ein paar seltene Dialogwitze drosselt. Mit dem Eintritt in den urbanen Raum der Glitzermetropole Las Vegas, der so wenig wie die Suburbs ein Refugium sein kann, entblättert sich denn auch ein zweiter Text, der all das Gerangel ums Beißen und Rächen verbindet.
Isolation und Anonymität lauten die Stichworte: Hier wie im Original flüchtet man zwischenzeitlich in einen Club und darbt dann in der tobenden Menge umso hilfloser auf dem Präsentierteller. Der Unterschied: Ein Hauch von Entfremdung ist mit im Spiel: die Vorstädte, in denen ohnehin tagsüber geschlafen wird, weil nachts die Arbeit ruft, das mühselige Ringen um Coolness an den Schulen, überhaupt die geschiedenen Familien und versprengten Existenzen hinter den Vorhängen, und nicht zuletzt Peter Vincents spektakuläre Bühnenshow, die im Gegensatz zur TV-Sendung „Fright Night“ des Originals keine heimelige Nostalgie mehr bereit hält, sondern allenfalls die kollektive Verabredung zum Beschiss kostspielig zelebriert – all dies sind Teile einer Welt, deren Drängen zur Individuation eine Figur wie Jerry letztlich nur zu einer Art kannibalistischem Zerrbild erhebt. Strenggenommen ist er bloß einer, der die Regeln etwas zu genau verinnerlicht hat. Entsprechend präsentiert Colin Farell Jerry irgendwo zwischen apokalyptischem Romantiker, gelangweiltem Rebell und egomanischem Gigolo, der herzlich wenig Gemeinsamkeiten mit seinen zeitgenössischen Tugendterroristen aus dem „Twilight“-Universum aufweist, ja selbst die boshaft-abgründige Erotik des Fremden ist in Teilen einer recht pragmatischen Überlebensstrategie gewichen: Seine Opfer hält Jerry in kleinen toilettenartigen Zellen gefangen, wo sie dann, wenn der kleine Hunger kommt, wie ein Snack angezapft und wieder eingesperrt werden.
Gleichwohl ist der Film viel zu bedacht darauf, das Risiko mit dem Schema zu bannen, als dass er das deviante Treiben bis zum Exzess auszukosten sich traute. Die Hetzjagd wird zur Initiation Charlies, der ängstliche Säufer Peter Vincent zum beherzten Rächer, die vitale Amy kurzweilig zur Femme Fatale und die Mutter fällt in Ohnmacht, bis der Spuk ein Ende nimmt. Aber diese disparate Programmatik besitzt dennoch ausreichend Eigensinn, um zumindest im gegenwärtigen Vampirfilm zu bestehen. Für alles weitere bleibt nach wie vor Kathryn Bigelows „Near Dark“ zuständig.