Vier Fortsetzungen zog der ursprüngliche „Planet der Affen“ (1968) nach sich, der seinerseits wiederum auf der französischen Romanvorlage der gleichnamigen, 1963 erschienenen Dystopie von Pierre Boulle basierte. Intermedial betrachtet blieb die Reihe fortan in jedem Jahrzehnt präsent, als Computerspiel, Comicreihe, TV-Serie oder TV-Film. Im Kino bildete bislang Tim Burtons sehr freies Remake aus dem Jahre 2001 das traurige Schlusslicht. Im Gegensatz zur zivilisationskritischen, diskursiv zerfransten und jedenfalls versuchsweise die politischen und ethischen Krisen ihrer Zeit reflektierenden (literarischen wie filmischen) Vorlage reduziert Burton das Geschehen aufs simple Aufbegehren zweier dissidenter Köpfe gegen eine atavistische Affen-Gesellschaft, nicht mitreißender oder differenzierter als eine Episode von „Flash Gordon“. Die gegenwärtige und in ihrer Vielfalt immer noch recht frische Reboot-Strategie Hollywoods, nun auch die früheren, erzählerisch bloß vorausgesetzten Prämissen längst ausgeloteter Geschichten dutzender Franchises der Popkultur zu beackern, damit hieraus bestenfalls gleich ganze alternative Zyklen entstehen mögen, bietet idealen Nährboden für einen weiteren Modernisierungsversuch.
Der Blick richtet sich also auf den Lebensabend der Erde, bevor sie zum Planet der Affen werden soll. Wir wissen: Früher war es der Atomkrieg, der die Menschheit zurück in das Stadium zwischen Sklave und Haustier manövrierte. Wir sehen: Nun wird es der korrupte Zugriff auf die Natur gegen die Natur sein, was der Menschheit zum Verhängnis wird. Es ist wie so oft: Die Absichten sind durchaus ehrenvoll, die Methoden und Strukturen, in denen sie gefangen sind, hingegen schändlich. Grundlage ist ein klares Dreiakt-Schema, das das Gefühl für die nötige Revolte sukzessiv potenziert.
Da ist zunächst die Entwicklung des Affen-Außenseiters, bei dessen Mutter im Versuchslabor ein Mittel, das Hirnzellen sich regenerieren lässt und zur Heilung von Alzheimer dienen soll, erfolgreich anschlägt. Jedoch wird sie beim Versuch, ihr von den Wissenschaftlern kurioserweise unbemerktes Kind zu beschützen, getötet, weswegen Forschungsleiter Will Rodman (James Franco) die unfreiwillige Rolle des heimlichen Ziehvaters übernimmt. Die im Verborgenen gehaltene Sensation ist immens, denn tatsächlich haben sich die manipulierten Gene der Mutter auf Caesar, wie Will den außergewöhnlich lernfähigen Affen später nennen wird (man kennt ihn als Revolutionsführer aus dem dritten Sequel „Eroberung vom Planet der Affen“ (1971)), übertragen. So wächst auf Wills Dachboden in einem komfortabel eingerichteten Kinderzimmer ein verkanntes Genie heran, sozusagen a beautiful monkey-mind, das für allerlei Verblüffung sorgt: Mittels Zeichensprache kommuniziert Caesar souverän und selbstreflexiv, eignet sich schnell zivilisatorische Standards (Kleidung, Klo und Tischmanieren – Norbert Elias revisited) an und erkennt frühzeitig die zurückkehrenden Alzheimer-Symptome bei Wills Vater, an dem Will, ebenfalls heimlich und zunächst weitaus erfolgreicher als erwartet, das unvollkommene Medikament testete. Aber zugleich laboriert Caesar am Schicksal der gleich doppelten Entfremdung. Weder den Menschen noch den Affen zugehörig, reift mit den Jahren der Wille zum Aufbegehren, zur Selbstfindung: Wer und was bin ich? Und wieso muss ich eine Leine tragen, wenn wir in den Wäldern spazieren gehen? Nach einem öffentlichen Eklat, bei dem Caesar Wills verwirrten Vater vorm tobenden Nachbarn handfest verteidigt, folgt der bedauernswerten Pubertät die entsetzliche Initiation. Es geht ins trostlose, jede Verstandsregung verhöhnende Gehege eines Primatenheims, wo alle Elemente des Knastfilms – vom stumpfsinnigen, dafür umso grausameren Wärter über den Kampf in der Klassenhierarchie unter den Häftlingen bis zu den machtlosen Angehörigen draußen, deren Interventionen spätestens hinter den Mauern der Institutionen vergeblich werden – schließlich im dritten Teil zur Revolte treiben. Caesars Intelligenz prädestiniert ihn zum Anführer der Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans (auch hier wissen wir aus den früheren Filmen, dass deren noch universale Unterdrückung trotzdem „später“ in der Affen-Gesellschaft zur Installation eines Dreiklassen-Systems führen wird, mal mit den intellektuellen Schimpansen, mal mit den militaristischen Gorillas an der Spitze). Mit der Güte des Spartacus, einem ähnlichen Familienroman und einer mindestens ebenbürtigen moralischen Ambivalenz, führt er mit seinem ersten gesprochenen Wort das „Nein!“ in den Aufstand. Nein, keine Toten, jedenfalls keine unschuldigen. Am Rande der Rebellion zeigen sich denn auch noch die ersten Anzeichen einer Epidemie, weil das Testserum beim Menschen tödliche Nebenwirkungen besitzt.
Die offensichtlichste Funktion eines Remakes / Prequels speziell im fantastischen Film besteht darin, den Stoff technisch auf den neuesten Stand zu bringen und zeitgenössischen Sehkonventionen anzupassen. Das wäre in diesem Fall die mittlerweile zur Performance Capture hyperverfeinerte Motion Capture-Technik, die die Regungen des verkabelten Schauspielers nahezu ungefiltert als Computerbild übersetzt und Caesar-Darsteller Andy Serkins nebenbei, nach Peter Jacksons „King Kong“ und dem Gollum / Sméagol-Hybrid aus „Herr der Ringe“, einen Eintrag als berühmtester gesichtsloser Schauspieler in den Geschichtsbüchern garantiert. Die zweite Funktion besteht in der Modifikation der Vorgänger, die gleichzeitig auch unweigerlich eine Interpretation ihrer Rezeptionsgeschichte ist. Da machte die Menschheit schon weiland in der Urversion keinen guten Schnitt. Heute, 43 Jahre später, sind es aber nicht mehr der hegemoniale Kampf zweier Herrschaftssysteme sondern die nunmehr vollends gottgleichen Emanzipationsversuche des Menschen von der Natur. Das mag man mit müden Augen als Kulturpessimismus und zivilisationsfeindlichen Appell schelten: Mensch, siech an Deinen Krankheiten zugrunde, pfusch nicht in Gottes Handwerk herum! Dabei versäumt der Film es keineswegs – so elaboriert dies einer Genreerzählung eben in der Regel möglich ist –, den Warencharakter der Forschung zu identifizieren und versetzt die manifeste Politik seiner Vorgänger in die Ökonomie der Gegenwart. Forschung ist hier, selbstverständlich, eine Frage des Geldes und so im guten Sinne absichtsvoll die Bestrebungen des Forschers auch sein mögen, seine Erfolge und Erkenntnisse bemessen sich an ihrem Potenzial zur Verwertung; als blanker Beitrag zum Fortschritt sind sie so sehr erwünscht wie die Affenrevolte auf der Brücke San Franciscos. Wenn sich also wenigstens die Affen ihrer Knechtschaft besinnen, ist es doch ein tröstendes Wissen, dass in Fragen des Widerstands der Mensch noch einiges von ihnen lernen kann.