„Licht“ lautet das erste Wort der Vorspanntitel, deren Bestandteile wie in einem Film von Godard erst nach und nach die Leinwand füllen. Dann löst sich auf nächtlicher Autofahrt ein einzelner Lichtpunkt aus dem tiefen Dunkel, der sich kurz darauf als Schein einer Taschenlampe entpuppt. Die Ankunft der Familie Velten auf dem schwarzen Kontinent, wo der Arzt und Entwicklungshelfer Ebbo (Pierre Bokma) und seine Frau Vera (Jenny Schily) seit vielen Jahren zu Hause sind, beginnt mit einer Kontrolle. Auch das Eintreffen seines französischen Kollegen Alex Nzila (Jean-Christophe Folly) drei Jahre später vollzieht sich in stockdunkler Nacht. Fremde und Orientierungsverlust, die am Ende bei einem nächtlichen Gang durch den Dschungel noch zu einer unheimlichen Verlorenheit gesteigert werden, sind in Ulrich Köhlers beeindruckendem Film „Schlafkrankheit“ regelrecht mit Dunkelheit assoziiert.
Um diese geradezu existentielle Fremdheit zu vermitteln, verschränkt Köhler auf unkonventionelle Weise die Blickrichtungen der beiden Protagonisten. Während der couragierte Ebbo, der seit zwanzig Jahren in Kamerun ein Projekt zur Erforschung der Schlafkrankheit leitet, eine große Erfahrung ausstrahlt und sich dem fremden Leben völlig anverwandelt zu haben scheint, erlebt der kongolesischstämmige Franzose Alex, der im Auftrag der WHO Ebbos Programm evaluieren soll eine Art Kulturschock. Doch Köhlers komplexe, an Zwischentönen reiche Verschränkung der Perspektiven lässt sich in diesen vorgeblichen Gegensätzen nicht einfach fassen. Sein genauer, subtiler Blick auf die schier nicht einholbare Differenz der Mentalitäten unterläuft nicht nur souverän und mit Witz Klischees, sondern durch vielfache Brechungen auch die Bilder, die von ihnen kursieren.
So fühlt sich Ebbo in Afrika zwar heimisch und behauptet in seinen beruflichen wie privaten Auseinandersetzungen eine selbstbewusste, fast schon abgeklärte Unabhängigkeit, doch gleichzeitig zwingt ihn sein Realitätssinn in eine unüberwindliche Distanz. Zudem scheint ihm nach dem sich abzuzeichnenden Ende des Projekts auch die Rückkehr nach Deutschland versperrt. Ebbo ist ein Gefangener zwischen den Welten, der sich nicht lösen kann von seiner Faszination, ja förmlich und auf geradezu mystische Weise von ihr verschluckt wird. Darüber hinaus ist Ebbo eine Figur, die sich dem Zuschauer widersetzt und immer wieder entzieht.
Dagegen repräsentiert der junge, unerfahrene Arzt Alex, der in Frankreich geboren und sozialisiert wurde, trotz schwarzer Haut den Prototyp des Europäers, der Afrika als einen einzigen Alptraum erlebt. Alle seine Absichten werden vor Ort von Willkür und Trägheit blockiert, seine Arbeit stagniert und kommt schließlich zum Erliegen. Ulrich Köhlers vielschichtiger Film hält diese sowohl erfahrene als auch imaginierte Differenz bis zum Schluss offen und bildet sie schließlich auch in seiner elliptischen, dezentralen Plotstruktur ab.