Dass der Kapitalismus vom Crash lebt, wissen auch die anständigen Bewohner des australischen Kaffs Paris. Nacht für Nacht liegen sie auf der Lauer, um nichts ahnende Autofahrer in schwere Unfälle zu verwickeln. Die Autos werden ausgeschlachtet, die Unfallopfer ausgeraubt und nach anschließender Lobotomie in die örtliche Psychiatrie eingewiesen. So lässt es sich leben, neben allerlei Schrott werden so auch Pelzmäntel und Kinder für die Gattin erworben. Die Dorfgemeinschaft scheint zufrieden zu sein, jeder hat seinen festen Platz: vom mächtigen Bürgermeister über den Arzt und den Polizisten bis hin zur Hausfrau. Nur die Jugend, weiß nicht recht, wohin mit sich und baut aus den Autowracks wilde Bestien …
Peter Weirs Spielfilmdebüt „Die Autos, die Paris auffraßen“ zeichnet das düstere Bild einer modernen, australischen Gesellschaft zwischen Zukunftsangst und Vergangenheitsverklärung. Die jungen Männer rasen in ihren Vehikeln, die aussehen, wie eine Mischung aus Hippiebus und Raubtier, ziellos durch den öden Ort. Der sieht im Gegensatz zum grünen Naturidyll der Umgebung eher nach Wildem Westen aus und aus dessen Dunstkreis stammen wohl auch die Machoattitüde und das Männlichkeitsgehabe der Pariser. Junge Frauen gibt es übrigens keine in Paris, bloß kleine Mädchen und Hausfrauen, wie man sie aus piefigen 50er-Jahre-Hollywoodfantasien kennt und Aborigines existieren nur als Gartenzwerge im Vorgarten.
Wir sehen diese Welt durch die Augen des Neuankömmlings und Unfallopfers Arthur Waldo, der vom Bürgermeister unter seine Fittiche genommen wird. Arthur ist ein gutmütiger und etwas naiver Kerl, der als unwissender Außenseiter doch die latente Bedrohung spürt, die von Paris und seinen Einwohnern ausgeht und immer wieder zu flüchten versucht, was auch daran scheitert, dass er durch ein Trauma nicht mehr zum Autofahren fähig ist. Hier ähnelt er stark einer Figur aus Weirs späterem Werk, nämlich Truman Burbank aus „Die Truman Show“. In beiden Filmen sind die Protagonisten unfreiwillig Gefangene eines in sich geschlossenen Systems, das mit den Mitteln der Satire angeklagt wird. Bei aller spöttelnden Kritik bleibt Weir doch stets Optimist und spendiert seinen Helden ein zumindest hoffnungsvolles Ende. Ob das immer berechtigt ist, darf bezweifelt werden. Wo Truman Burbanks Geschichte vor der Tür zur realen Welt als Happy End aufhört, wird verschwiegen, dass die reale Welt gar nicht so anders funktioniert als die Studiowelt mit ihren unzähligen Kameras und den allgegenwärtigen Werbebotschaften.
In „Die Autos, die Paris auffraßen“ fällt das Ende zwiespältiger aus. Zwar gelingt auch Arthur am Ende die Flucht, und die Welt, in die er flieht, könnte tatsächlich besser sein als das Nest Paris; immerhin kommt der Dorfpfarrer von außerhalb, er ahnt nicht, dass alle seine Schäfchen schwarze sind und scheint integer. Auch fürchten die Pariser, dass ihre heimlichen Raubzüge entdeckt werden könnten und isolieren sich immer stärker. Inwiefern die Außenwelt wirklich als moralische Instanz fungieren kann, lässt der Film indessen offen. Darüber hinaus ist Arthur kein liebenswerter und tugendhafter Truman, ja nicht einmal einen anständigen Anti-Helden gibt er ab. Dafür ist er zu sehr Mitläufer und am Ende sogar Autofahrer und Mörder, seine Flucht bekommt so einen bitteren Beigeschmack.
Alles in allem ist „Die Autos, die Paris auffraßen“ kein uninteressanter Film, der vieles aus Weirs Spätwerk bereits anreißt. Die Atmosphäre ist dicht und immer wieder gelingen Weir grandiose Aufnahmen zur Bebilderung seiner Gesellschaftskritik. Dennoch ist der Film ein wenig halbherzig geraten, zu zahm als Ozploitation, nicht witzig genug für eine schwarze Komödie.