In der Altstadt des Wanhua Bezirks in Taipeh, im Gewirr der Gassen von Manka/Banka (oder eben wie hier: „Monga“) finden fünf Freunde zusammen und schließen Blutsbrüderschaft. Seit Generationen gehört man zum Clan des Tempelplatzes, der die kriminellen Geschäfte auf den Hauptstraßen des Viertels regelt. Der junge Chou Yi-Mong (Mark Chao), den sie „Mosquito“ taufen, ist einer von außen, ein Dazugezogener, der sich aber in der Schule im Streit um einen Hähnchenschenkel, um den ihn ein Fiesling (zufällig einer von der Konkurrenzgang, des Clans der Hintergassen) beim Mittagessen erleichtern wollte, schlagkräftig bewährt – und dem sie nun einen Platz in ihrer Gang anbieten. Kurze Zeit später klettern sie (symbolträchtig) über die Mauer des Schulgeländes, um der bürgerlichen Welt für immer den Rücken zu kehren und ein Leben in der Kriminalität zu führen.
„Monga“ ist ein Gangster- und ein Coming-of-age-Drama zugleich. Der Film erzählt von den Irrungen und Wirrungen des Gangsterlebens zwischen Schutzgelderpressung, Revierverteidigung, Loyalitätsbeweisen, Saufgelagen und der ersten richtigen Liebe. Selbstverständlich verkuckt sich der Außenseiter Mosquito in eine ebensolche Außenseiterin, in eine (Achtung Zynismus!) besonders hübsche und besonders schüchterne Prostituierte edlen Gemüts. Als der Bösewicht von der Konkurrenz (der obige Hähnchenschenkeldieb) die Freundin eines Bruderschaftlers in die Hintergasse lockt und dort missbraucht, kann es nur eine Konsequenz geben: Rache.
„Monga“ ist einer jener Filme, die sich ihres exotistischen Gehalts bewusst sind, dieses hemmungslos ausbeuten – und dabei auf ganzer Linie scheitern. Permanent wird versucht, die Altstadt des Gangsterviertels besonders beeindruckend darzustellen, mit all den Neonschildern, dem Menschengewusel, der Unübersichtlichkeit, den Garküchen und dem ganzen Schmutz: dem Leben also, das so nah am Tode weilt.
Jedoch gewinnt nichts einen eigenständigen Charakter, alles scheint austauschbar und bereits hundertmal gesehen. Hier werden keine Räume eingefangen, sondern Abziehbilder eines modernen Molochmetropolenlebens simuliert. Dieser Film ist ausschließlich antiseptische Oberfläche. Hier findet sich nur Hochglanz-Dreck (da sehen selbst die Bilder des Verfall in Iñárritus „Biutiful“ noch authentischer aus). Ganz besonders deutlich wird das in den offenkundig in Kulissen gedrehten Szenen im „Hauptquartier“ der Nachwuchsgangster, das voller Gerümpel steht und ein Bild des Chaos einer großen Abstellkammer vermitteln soll. Jedoch: der Boden ist blitzblank, kein Müll nirgends. Optisch ist man hier in einer polierten koreanischen Soap-Opera gelandet. Der ideale Platz für Hausstauballergiker.
Dieser Trash-Chic korrespondiert mit der Wahl der Protagonisten, die vor allem ein einziges Kriterium zu einen scheint: sie sehen aus wie Coverboys von Mädchenzeitschriften. Schön sein, auch noch mit Blut im Gesicht, oder, wie in Mosquitos Fall, mit den Tränen des Sensiblen. Die Schauspieler sind denn auch aus bekannten taiwanesischen Fernsehsoaps oder Boygroups gecastet worden. Hier sehen alle immer sehr gut aus in ihren ultra angesagten Stylings der internationalen Modewelt. Keiner trägt die Röhrenjeans so eng wie Mosquito. Was nicht bedeuten muss, dass hier schlecht gespielt wird oder dass das ein relevantes Kriterium wäre für einen gelungenen Blockbusterabend. Nah am Overacting ist man zwar die ganze Zeit – und tritt dabei auch manchmal klar über die Schwelle des Erträglichen – doch der Zuschauer ist bereits gewohnt dies hinzunehmen, da er sich durch die vielen Filmsichtungen klischierter hongkongchinesischer Komödien und Gangsterkomödchen seit den Achtzigern entsprechend abgehärtet hat.
Es ist den immergleichen Regeln des Genres geschuldet, dass es am Ende zu einer Neuordnung der Machtverhältnisse im Viertel kommen muss. Der auf Oppositionen aufbauende Film parallelisiert den Kampf der Clanführer, deren langjährige Freundschaft sich in Feindschaft und Konkurrenz auflöst, mit der Konkurrenz der Jugend um die Vorherrschaft auf den Straßen.
Und ein abtrünniger Überläufer, der die verpönte Schusswaffe gebraucht, schießt sich symbolisch ins eigene Herz, indem er den ahnungslosen Freund, alle Anstandsgebote der Unterwelt missachtend, ermordet. Das System der Straßengangs ahndet diesen Regelverstoß mit dem Tod.
Dass der Film also mit deutlich konservativen Werten einer stark in Ritualen strukturierten Unterwelt schließt, lässt ihn noch einmal hinter die Errungenschaften eines nihilistischen Gangsterkinos zurückfallen. Und das satte Finale, das strömende Blut, kann nicht übertünchen, dass man es hier mit einem reaktionären Schinken zu tun hat. Dass das Ende kein gutes sein kann, das hätte man sich schon am Anfang denken können, als der Fiesling ganz gemein den Brathähnchenschenkel raubte.