Am Anfang des Films steht ein von Legenden umrankter Fetisch: der goldene Adler, das Wappen der Neunten Legion. Er ging einst im Feindesland Nordbritannien verloren und mit ihm eine ganze römische Armee von fünftausend Mann. Kaiser Hadrian ließ daraufhin den nach ihm benannten Schutzwall errichten, der die Grenze des Reichs zur unzivilisierten Welt markierte. Für den Römer Marcus Aquila – Lateinkenner ahnen bereits eine Verbindung zum verschwundenen Vogel – fangen die Probleme erst an, denn er ist der Sohn des damals unterlegenen Feldherren. Er verlor nicht nur seinen Vater, sondern leidet zudem stark unter der Schmach dieser Niederlage. Und weil ein nobler Mann sich und der Welt etwas zu beweisen hat, wird das Wiedererlangen des Symbols (und der Familienehre) zu seines Lebens größtem Traum. So weit, so schlicht.
Doch das erste Kommando des aufstrebenden Kriegers steht unter einem schlechten Stern, und diese frühe Kehrtwende des Films überrascht positiv: Aquila wird schwer verletzt und muss den Militärdienst quittieren – in Ehren zwar, aber einen richtigen Soldaten kann das nicht zufrieden stellen. Die entsprechende Kampfszene bemüht sich um Realismus und ist demzufolge verwackelt, aber frei von übertriebenen Spezialeffekten und trotz des gering dosierten Blutgehalts angemessen unangenehm. Sie erinnert ein wenig an die HBO-Serie „Rome“, der es in einigen Momenten bereits gelang, eine Ahnung vom jämmerlichen Dasein des gemeinen Legionärs zu vermitteln. Etwas befremdlich ist dagegen die Inszenierung der Feinde als blutrünstige, wilde Horde, die einmal mehr von Peter Jacksons Orks beeinflusst zu sein scheint – aber gut, es sind nun mal Barbaren, und wir sind ja auf der Seite der Römer und der Zivilisation und so …
Nachdem Aquila gezwungenermaßen zum Privatmann geworden ist, benötigt er für das Erreichen seines Ziels die Hilfe eines jungen Sklaven namens Esca, dem er das Leben rettet und der ihm seines folglich schuldet. Esca kommt just aus den feindlichen Gebieten jenseits des Walls. Er soll Aquila mit seiner Sprach- und Ortskundigkeit zur Seite stehen. Doch kann der Römer ihm trauen? Es geht viel um Ehre, Treue und die Beschwörung solcher Empfindungen, denn so funktioniert dieses Genre. Aber man nimmt auch quälende Momente in Kauf, weil man dem Film nach seiner überraschenden Kehrtwende eine durchdachte moralische Fabel zutraut, zumal Action kaum eine Rolle spielt und „Der Adler der Neunten Legion“ sich eher auf das dramatische Potential seiner Geschichte stützt. Marcus Aquila ist kein makelloser Sympathieträger: Wenn er nicht entdeckt werden will, tötet er auch mal einen flüchtenden Feind, der noch ein halbes Kind ist. Esca kann nur entsetzt zusehen, da er ja durch seinen Schwur gebunden ist – wodurch sich genregemäß wohl Charakterstärke zeigen soll. Doch bald ergibt es sich, dass das Machtverhältnis zwischen Herr und Sklave sich umkehrt.
Beziehungen können eine trügerische Angelegenheit mit gruseligem Ausgang sein, und dies trifft leider auch auf Beziehungen zwischen Rezipient und Film zu, denn obwohl sich zunächst etwas Außergewöhnliches und Besonderes anzukündigen scheint, enttäuscht „Der Adler der Neunten Legion“ letztlich auf ganzer Linie. Die unsichere Beziehung zwischen Aquila und Esca gipfelt in einer Szene, in der ein großer Vertrauensbeweis erforderlich ist. Anstatt den Film nun dramatisch aufzulösen, wird plötzlich ein unfassbar hanebüchen motivierter Abschlusskampf übers Knie gebrochen, dessen Teilnehmer quasi aus dem Nichts auftauchen: Es sind die Deserteure und versprengten Reste der Neunten Legion, die der Sklave während der Reise heimlich und ohne das Wissen seines Herrn (oder des Zuschauers) gefunden und wiedervereint haben will. Die Läuterungsbeteuerungen der einst fahnenflüchtigen Männer gegenüber dem Sohn ihres früheren Anführers sind so schlecht geschrieben, dass sie wirklich große Schmerzen verursachen: „Als ich vor deinem Vater wegrannte, bin ich vor mir selbst weggerannt.“ Aber nun wird alles wieder gut, man stirbt schließlich aufrecht und stolz.
Diesem so kruden wie frustrierenden Finale folgt noch ein Dialog wie aus einem schlechten Buddy-Movie, der nahe legt, dass die beiden Helden, Römer und befreiter Sklave, nun die Tür zu neuen Abenteuern aufstoßen. Man fragt sich, an welcher Stelle die Produktion so schief gehen konnte, dass dieser abrupte Tonwechsel niemandem aufgefallen ist und ob die eklatanten Schwächen des Drehbuchs vielleicht mit der Jugendbuchvorlage zu tun haben. Aber wie auch immer: Ganz zum Schluss, und wirklich erst dann, entpuppt sich „Der Adler der Neunten Legion“ als Gummihuhn.