„Bei einer Schlägerei lernt man sich kennen“, behauptet der Protagonist von Herman Yaus „Ip Man Zero“, der Wing-Tsun-Kämpfer Ip Man (Dennis To), dessen reale Inkarnation die Kampfkunst revolutionierte und schließlich zum Lehrer Bruce Lees wurde, der seinerseits den Eastern in den Siebzigerjahren international etablieren sollte. Es ist dies einer der interessantesten Ansätze von „Ip Man Zero“ und was hätte man daraus machen können? Einen Kung-Fu-Film, der den schlagkräftigen Austausch konsequent als einen Modus zwischenmenschlicher Kommunikation interpretiert. Leider bleibt es bei dem Ansatz und Yaus Film letztlich ein – wenn auch sauber inszenierter – generischer Martial-Arts-Film.
Zu Beginn der 20. Jahrhunderts werden der junge Ip Man und sein Adoptivbruder Tin chi (Siu Wong-fan) von ihrem Vater in der Kung-Fu-Schule von Meister Chan Wah-shun (Sammo Hung) abgegeben, um die Kampfkunst Wing-Tsun zu erlernen. Beide werden erst von diesem und nach dessen Tod von Ng Chun-suk (Yuen Biao) ausgebildet, bis es Ip Man zur Universität nach Hongkong zieht, während sein Bruder an der Schule bleibt, auf die zunehmend Einfluss von japanischen Geschäftsleuten genommen wird. Als es nach Ip Mans Rückkehr zu einem Mordfall kommt, droht die Situation zu eskalieren …
„Bei einer Schlägerei lernt man sich kennen.“ Dieser Gedanke mag vielleicht auch die Köpfe hinter „Ip Man“ vor drei Jahren dazu bewogen haben, sich der Lebensgeschichte eines der größten Kung-Fu-Kämpfer und -Erneuerer des vergangenen Jahrhunderts zu widmen. Und wie sollte man sich einem solchen Kämpfer annähern, wenn nicht mit den Mitteln des Kung-Fu-Films? Dass Ip Mans Biografie durch seine Assoziation mit Bruce Lee zudem untrennbar mit der Filmgeschichte allgemein und dem Eastern in Besonderen verbunden ist, prädestinierte ihn geradezu für eine Adaption, die im dritten Teil der Reihe, einem Prequel, das sich mit der Jugend des Helden befasst, allerdings nur wenig ambitioniert geraten ist. Nur einmal wird auf die filmischen Ambitionen Ip Mans verwiesen, ansonsten eine Geschichte erzählt, die der Eastern-Freund so oder ähnlich schon etliche Male gesehen hat. Inszenatorisch betrachtet ist „Ip Man Zero“ einwandfrei: Er sieht ungemein edel aus mit seinem ausgeblichenen Sepia-Look, verfügt über erstklassige Production Values und die Kampfchoreografien – das Kernstück eines jeden Martial-Arts-Films – sind rasant und originell, ohne sich dabei in der Realität gänzlich enthobene Sphären zu begeben. Vor allem Dennis To bekommt ausreichend Gelegenheit, seinen Ruf als kommender Superstar zu untermauern, doch das Highlight ist meines Erachtens ein Trainingskampf zwischen den Altmeistern Sammo Hung und Yuen Biao, die trotz verbundener Augen immer die passende Antwort auf den Angriff des Gegners parat haben und so dem Bild des Kampfes als einer Form der Kommunikation sehr nahe kommen. Leider sind solche Momente jedoch rar gesät und stattdessen müht sich der Zuschauer durch eine melodramatische Liebesgeschichte, undurchschaubare Ränkespiele und die alte Mär vom friedlichen Chinesen und dem hinterhältigen Japaner.
Das ist schade, denn man sollte doch meinen, dass ein Film, der sich um einen der kreativsten Martial-Artists aller Zeiten dreht, selbst etwas mehr Kreativität aufbrächte, um dessen Geschichte zu erzählen. Dass „Ip Man Zero“ jedoch zu keinem Zeitpunkt über gutklassiges Formelkino hinauskommt, legt nahe, dass es sich eher umgekehrt verhält: Die Person Ip Man und seine Hinterlassenschaft sind so gewaltig, dass es nahezu unmöglich ist, sich aus ihrem Schatten zu lösen. Aber vielleicht ist das ja auch die Lehre, die man aus dem Film ziehen kann: Wir kennen diesen Ip Man bereits, wenn auch nicht aus seinen eigenen Schlägereien.