Im Werk von John Ford gab es einen heimlichen Star, den das große Publikum nie richtig wahrnahm. Der 1914 geborene Woody Strode war Profi-Football-Spieler und Wrestler, bevor er Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre zum Film kam und zunächst in Nebenrollen auftrat. Für Ford, mit dem er eng befreundet war, spielte er in den 60er Jahren den aufrechten 'Sergeant Rutledge' („Mit einem Fuß in der Hölle'; 1960), den muskulösen Komantschen Stone Calf in „Two Rode Together' („Zwei ritten zusammen'; 1961) und John Waynes loyalen Assistenten Pompey in „The Man Who Shot Liberty Valance' („Der Mann, der Liberty Valance erschoss'; 1962). Eine eindrucksvolle Nebenrolle hatte Strode in „Spartacus' (1960), in dem er den äthiopischen Gladiator Draba spielte. Danach verschlug es den 1,93 Meter großen Athleten für einige Filme nach Europa, wo er in der Exposition von Sergio Leones „C’era una volta il West' („Spiel mir das Lied vom Tod'; 1968) seinen ersten wirklich großen Auftritt erhielt. In den folgenden Jahren wurde Strode zur Ikone vordergründig harter Männlichkeit, hinter deren Fassade doch immer die Sensibilität des Außenseiters zwischen den Kulturen durchschien. Der Sohn afroindianischer Eltern mit dem markanten, kahlgeschorenen Schädel und der herkulischen Physis trat in B-Pictures von Fernando di Leo auf, etwa in „La Mala Ordina' („Der Mafia-Boss – Sie töten wie Schakale'; 1972), er spielte einen an Lumumba angelehnten Politiker in Valerio Zurlinis „Seduto alla sua destra' („Töten war ihr Job'; 1968), der in den USA als „Black Jesus' verliehen wurde. Eine seiner letzten Rollen hatte er als 80jähriger in Mario Van Peebles‘ postmodernem Western „Posse' (1993), in dem er der MTV-Generation eine Geschichtslektion über die vergessenen afroamerikanischen Cowboys erteilen durfte.
Dwayne 'The Rock' Johnson ähnelt Woody Strode in vieler Weise: in Herkunft, Physiognomie, und Werdegang. Johnson ist afrokanadisch-samoanischer Abstammung, wie Strode ein 1,93-Meter-Hüne, ehemaliger Footballer und Profiwrestler und seit etwas mehr als zehn Jahren auch im Filmgeschäft aktiv, vornehmlich mit Rollen in Actionstoffen wie „Walking Tall' (2004; Kevin Bray) und „Doom' (2005; Andrzej Bartkowiak). Sein jüngster Film, „Faster' von George Tillman Jr., ist ein düsterer Thriller, der im gleißenden Sonnenschein spielt und wie ein Western daherkommt. Für den ehemaligen Wrestler Johnson leistet er in etwa das, was die Italiener mit Strode in den 1960er und 70er Jahren taten: Er inszeniert 'The Rock' nicht einfach als Naturgewalt, sondern als Mythos; als eine Ikone; als jemanden, der nicht von dieser Welt ist und der nicht nur 'faster', sondern auch 'pure' ist, wie es einmal über ihn heißt. Dwayne Johnson wirkt in diesem Film mitunter so, als ob Woody Strode direkt aus der Exposition von „Spiel mir das Lied vom Tod' in einen gegenwärtigen Thriller transponiert worden wäre.
Tillman reduziert den Plot auf das Minimum einer mythischen Erzählung: Ein Mann kehrt aus dem Gefängnis, dem prädestinierten Nicht-Ort, zurück in die normale Welt. Er verfolgt stur ein einziges Ziel: Die Mörder seines Bruders zu töten, einem nach dem anderen eine Kugel in den Kopf zu jagen. Dabei streut der Regisseur, der bislang vor allem mit Mainstreamfilmen wie „Notorious' („Notorious B.I.G.'; 2009) und „Men of Honor' (2000) aufgefallen ist, einige Andeutungen ein, dass sein Protagonist womöglich nicht von dieser Welt ist; ein Wiedergänger sein könnte, wie der von Lee Marvin gespielte Walker in John Boormans „Point Blank' (1967). Diesen rächenden Geist hält kein Gegner, keine Prügel, nicht einmal Kugeln auf. Als er sein düsteres Werk vollbracht hat, zieht er weiter, vermutlich zurück in den Hades. Der Film gönnt Johnsons Figur dazu – ganz ironiefrei – eine letzte Fahrt in seinem schwarzen Chevrolet Chevelle in den Sonnenuntergang.
„Faster' ist ein fast paradigmatisch postmoderner Film (oder 'postklassisch', je nachdem, welchen Begriff man bevorzugt). Sein Held ist eine Art leeres Zentrum; ein lebender Toter, der einzig von seinem Trauma angetrieben wird und der mit schlafwandlerischer Präzision und einer gehörigen Portion Wut durch eine Welt stapft, die aus Versatzstücken anderer Filme und losgelöster Zeichen der Popkultur besteht. Die Protagonisten tragen wie in Walter Hills „Driver' (1978) nicht einmal mehr Namen, sondern werden meist nach ihrer Funktion benannt: 'Driver' (Johnson), 'Cop' (Billy Bob Thornton), 'Killer' (Oliver Jackson-Cohen), 'Warden' (Tom Berenger) usw. Die wichtigsten von ihnen werden in freeze frames vorgestellt, die mit Textinserts versehen sind. Sie benennen ihre Funktion für den Plot, so wie schon Leone in „Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo' („Zwei glorreiche Halunken'; 1966) seinen 'Guten', 'Bösen' und 'Hässlichen' vorstellte. Der Handyklingelton des 'Killers' klingt entsprechend vertraut: Es ist die Titelmelodie von Leones Western. Die Nebenfiguren von 'Faster' sind jedoch sorgfältig ausgearbeitet, geradezu überorchestriert und durch die Bank mit fähigen Darstellern besetzt. Dadurch streicht der Film die Leere der von Johnson verkörperten Hauptfigur nur umso deutlicher heraus. Er evoziert so zugleich die besten der italienisch-europäischen Western, die ihre Nebenhandlungsstränge und ihr hyperbolisch-groteskes Personal mit einer unbändigen Lust am Barock-Überladenen und am ornamentalen Exzess behandeln, während sie zugleich ihren Hauptprotagonisten auf den reinen Mythos reduzieren.
„Faster' hat als Film gewiss seine Fehler. Die Plottwists am Ende mögen überflüssig wirken, einige der Nebenhandlungsstränge erscheinen arg forciert. Aber andererseits ist es gerade diese Unkalkulierbarkeit, die immer wieder überrascht und die neben dem Score von Clint Mansell, den Popsongs von Kenny Rogers bis Iggy Pop, den mitunter abseitigen filmhistorischen Anspielungen und der gelungenen Scope-Fotografie von Michael Grady begeistert. „Faster' ist ein lupenreines B-Picture, ein Film der Sorte, die heute selten geworden ist, seit die großen Hollywood-Produktionen wie teure B-Pictures daherkommen und klassische Grindhouse-Stoffe in Filmen wie „Drive Angry 3D' aus stumpfem Kalkül auf den Massengeschmack hin recycelt werden. „Faster' hingegen ist so zeitlos wie ein Noir aus den 40er/50er Jahren und zugleich so erfrischend wie die wilden europäischen Western und Thriller der 60er/70er Jahre. Dieses Erbe weist der Film ganz selbstbewusst aus, wenn er seine Exposition mit Guido und Maurizio DeAngelis’ Titelstück aus Enzo G. Castellaris Action-Klassiker „Il cittadino si ribella' („Ein Mann schlägt zurück' / „Street Law'; 1975) unterlegt. Castellari hatte Woody Strode übrigens 1976 eine seiner schönsten Spätrollen ermöglicht: als ehemaliger Sklave, der zusammen mit einem von Franco Nero gespielten Halbblut mit Pfeil und Bogen gegen ein Trio rassistischer Brüder antritt.