Ganz nahe kommen uns die Tiere, vornehmlich Schweine mit ihren Schnauzen und Borsten, in den ersten Bildern von Coline Serreaus Dokumentarfilm „Good Food Bad Food”. Das aus diesem Titel sprechende, enorm vielschichtige Thema, seine existentielle Bedeutung und universelle Wirkung, geht uns alle an. Entsprechend engagiert und parteiisch montiert die streitbare französische Filmemacherin ihr reichhaltiges Material zu einer wachrüttelnden Tour de force durch das verzweigte Feld der Nahrungsmittelherstellung. Dazu liefern alternative Bauern, Pioniere der ökologischen Landwirtschaft, Agrarwissenschaftler und Mikrobiologen aufklärende Hintergrundinformationen, deren Gleichklang zwar einerseits eine gewisse Redundanz erzeugt, andererseits aber auch ein sich stabilisierendes Gefühl der Dringlichkeit. Diese Überdosierung bewirkt, dass die politische Botschaft ankommt, auch wenn die ausgesuchten Bildbelege mitunter etwas plakativ geraten sind.
Während Referenzfilme wie Erwin Wagenhofers „We feed the world“ und Nikolaus Geyrhalters „Unser täglich Brot“ auf teils kritische, teils ästhetisierende Weise die perverse Praxis industrieller, profitmaximierter Lebensmittelproduktion zeigen, nimmt Serreau diesen zerstörerischen Tatbestand zum Anlass, um Alternativen vorzustellen. Die „Akteure des Wandels“ findet sie in Frankreich und Marokko, in Indien, Brasilien und der Ukraine. Einig sind sich die Fachleute und Aktivisten in ihrer kritischen Analyse der so genannten „grünen Revolution“, die zu toten Böden, einem Verlust der Artenvielfalt, zu finanzieller Abhängigkeit, zunehmendem Hunger und einem Verschwinden des Bauerntums geführt habe. Wo statt Nahrungsmittel Waren hergestellt werden, sind die Lebensgrundlagen bedroht. Die hohe Selbstmordrate unter indischen Bauern und die alarmierenden Abtreibungszahlen weiblicher Embryos auf dem Subkontinent veranlassen die Experten gar dazu, von „Suizidwirtschaft“ und „Völkermord“ zu sprechen.
Für Coline Serreau sind kapitalistische Wachstumsideologie, männliche Naturzerstörung und globalisierter Warenverkehr „die Folge eines Gesellschaftsmodells, das die Ausbeutung, die Plünderung und den Profit höher bewertet als die wahren Kräfte des Lebens.“ Dagegen setzt sie das Wissen und die Lösungsvorschläge von Menschen, die die Techniken der Landwirtschaft als natürlich und zeitlos begreifen und die deshalb die Bodenbiologie sowie die Bewahrung respektive Rückgewinnung der Saatenvielfalt ins Zentrum ihrer Aktivitäten stellen. Dieser Ansatz wiederum ist verknüpft mit der Entwicklung lokaler Strukturen und einer autonomen Nahrungsversorgung, wie Projekte in Indien und Brasilien zeigen. Trotz einer beklemmenden, Wut erzeugenden Realität, die in den vielen Statements als Kontrastfolie fungiert, hofft Coline Serrau am Ende ihres anregenden Films auf einen Paradigmenwechsel für die Zukunft.