Die Kontraste wirken hart in Danny Boyles neuem Film „127 Hours“, der nach wahren Begebenheiten entstand. Im Vorspann parallelisiert eine dreigeteilte Leinwand den Einzelnen und die Gemeinschaft, die Hektik des Großstadtlebens und das langsame Verrinnen der Zeit. Mit dem abenteuerlustigen Outdoor-Freak Aron Ralston (James Franco), der an einem Aprilwochenende des Jahres 2003 zu einer Klettertour in den Canyonlands National Park von Utah loszieht, wird die Dynamik eines euphorischen Aufbruchs in eine weite, überwältigend schöne Landschaft jenseits der Stadt versetzt. Der 28-jährige Aron, ein geübter Mountainbiker und Kletterer, ist ein übermütiger Draufgänger mit Eroberer-Mentalität, ein witziger Kerl, der einen harten Sturz mit einem lächelnden „Ups!“ wegsteckt. Waghalsig und siegessicher ist der Einzelgänger auf Rekorde aus. Bis er plötzlich in einem schicksalhaften Moment schwerwiegend verunglückt.
Dieser Unfall im Blue John Canyon, wo ein großer schwerer Felsbrocken Arons rechten Unterarm gnadenlos fixiert, ist nicht als Strafe für eine allzu unbekümmerte Spaßhaltung zu verstehen. Vielmehr nutzt Danny Boyle die ebenso fatale wie hilflose Situation seines Helden, um von „der plötzlichen Einsicht in den wahren Wert des Lebens“, so der Regisseur, zu erzählen. Denn im Zustand der Bewegungslosigkeit, die einen abrupten Bruch zur schwungvollen, von schnellen Beats begleiteten Action des Unterwegsseins markiert, gehen Arons Erinnerungen auf Reisen. Und sie imaginieren jene geliebten Menschen, zu denen er plötzlich eine neue, verändernde Verbundenheit fühlt und an die er einen vielleicht letzten Videogruß adressiert.
Denn Arons Lage erscheint aussichtslos: Sein Wasservorrat ist knapp bemessen, sein Handy hat er nicht eingesteckt und keiner weiß, wo er ist; was Boyle an mehreren Stellen als tragische Ironie oder auch als blinden Zufall inszeniert. Tatsächlich ist der junge Mann mit dem großen Freiheitsdrang auf fast absurde Weise inmitten der Weite gefangen und verloren. Die Natur ist gleichgültig und das Leben geht anderswo einfach weiter, was die Kondensstreifen der Flugzeuge am Himmel, die Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne oder auch der täglich über die Canyon-Spalte fliegende Rabe signalisieren. Schließlich, nach den titelgebenden 127 Stunden, fasst Aron mit dem Mut absoluter Verzweiflung einen folgenschweren Entschluss und amputiert sich die Hand. Doch Boyles spannender, virtuos gestalteter Film zielt nicht auf die Glorifizierung dieses heldenhaften, schier übermenschlichen Überlebenskampfes, sondern – als eine Art zweite Geburt – auf einen neuen Zugang zum Leben.