Eigentlich sind Tucker (Alan Tudyk) und Dale (Tyler Labine) zwei liebenswerte Burschen. Ihr Problem wird nur, dass sie wie typische Rednecks aussehen. Das führt zu fatalen Verwechslungen. Bedrohlich wirkt der erste Auftritt Dales auf eine Handvoll Jugendlicher, die, wie die beiden Holzfäller, ein paar Tage Urlaub in den Wäldern West Virginias verbringen und an einer Tankstelle lediglich die Bierreserven aufstocken wollen. Dass Dales lautes Stottern beim Flirtversuch mit der unnahbaren Allison (Katrina Bowden) nur seiner Nervosität geschuldet ist, bemerken die Teenager beim ängstlichen Ringen um Distanz jedoch nicht und ziehen in aggressiver Abwehrhaltung weiter. Zufällig campen sie in der Nähe der Blockhütte, die Tucker und Dale als Urlaubsdomizil dienen soll. Als sich Allison beim nächtlichen Schwimmen von der Gruppe entfernt und aus Schreck vor den zwei angelnden Hillbillies wider Willen verletzt, wird sie von ihnen ins Boot gerettet. Der Rest der Gruppe glaubt allerdings, gerade ihre Entführung zu beobachten. Und während Allison dank der fürsorglichen Obhut der zwei ganz und gar nicht grobschlächtigen Kumpels schnell bemerkt, dass im Redneck nicht per se der Psychopath wütet, blasen ihre Freunde übereifrig am Tag darauf zum vermeintlichen Gegenangriff – und bringen sich dabei unbeabsichtigt gleich reihenweise um.
Vielleicht beweist ein Film wie „Tucker & Dale vs. Evil“, dass das zeitgenössische Backwood-Terrorkino langsam in den Prozess seiner Historisierung gerät. Die menschliche Marter des menschlichen Körpers und der schmale Grat, auf dem sich die urbane Kultur samt ihrer zivilisatorischen Hybris bewegt, sobald sie sich im Hinterland dem sozialen Ausnahmezustand ausgesetzt sieht, wurden motivgeschichtlich in solch, auch qualitativ, unterschiedlichen jüngeren Produktionen wie den „Hostel“-Filmen (2005/2006), „House of 1000 Corpses“ (2003), „Wolf Creek“ (2005), „Eden Lake“ (2008), „Storm Warning“ (2007), dem „Texas Chainsaw Massacre“-Remake (2003) und –Prequel (2006), dem „The Last House on the Left“-Remake (2009) oder „Frontière(s)' (2007) sehr variationsreich aktualisiert. Mit „Severance“ präsentierte Christopher Smith 2006 bereits einen ironischen und schwarzhumorigen Meta-Film dieses Strangs, zu dem sich Eli Craigs Debütwerk wie ein Geschwisterkind verhält. Beide haben mit herkömmlichen Fun-Splatter, dessen einstiges Gesetz der Steigerung in Peter Jacksons „Braindead“ (1992) zur unüberwindbaren Körper-Groteske führte, nichts am Hut. Beide greifen ein spezifisches Motiv des Subgenres heraus, das sie narrativ mit der Persiflage versöhnen, ohne in die seichte Parodie abzudriften, und beide organisieren dies über eine Politik der Bilder, in der die stereotypen Figuren erfahren müssen, dass sie eben Stereotypen sind – was ihnen aber letztlich zur Rettung hilft. Der Unterschied: „Severance“ integriert das Wissen des Zuschauers über erzählerische Konventionen in den bildsprachlichen Aufbau. Rennt eine Figur auf der Flucht versehentlich gegen einen Baum und stürzt zu Boden, fährt die Kamera weiter, hält inne und muss sie erst mal suchen. „Tucker & Dale vs. Evil“ hingegen zitiert so ikonisch, dass die Figuren stets direkt, die Zuschauer aber bloß indirekt angesprochen sind. Vor allem die Archetypen des Terrorkinos „Texas Chainsaw Massacre“ und „Deliverance“ sind allgegenwärtig.
Ob wir dieses Sammelsurium klassischer Szenarien erkennen, ist allerdings zweitrangig, die filmgeschulten Jugendlichen jedenfalls tun es ganz sicher – zumindest glauben sie es. Das Humorprinzip verkehrt Ursache und Wirkung, und beide Varianten kommen auch inszenatorisch zu ihrem Recht. Wenn Tucker mit der Kettensäge arglos einen Baumstamm zerkleinert, in dem sich ein Bienenstock befindet, bedeutet sein hektisches Sägeschwingen reine Furcht. Die panischen Jugendlichen hingegen erkennen in ihm – unterstützt von Montage, Kadrierung und Musikeinsatz – den Wiedergänger des tobsüchtig tänzelnden Leatherface aus der berühmten letzten Einstellung von „Texas Chainsaw Massacre“. Aber das permanente Missverständnis beruht auf Gegenseitigkeit. Tucker und Dale vermuten voller Sorge hinter den Attacken der irrtümlichen Retter, die für die Angreifer in der Regel versehentlich tödlich enden, den rituellen kollektiven Selbstmord einer nihilistischen Teenager-Sekte und glauben, dass man ihnen nun aufgrund dieses Befunds ebenfalls ans Leder will.
Dass der Film weitaus mehr als pointensicherer Klamauk ist, liegt daran, wie er die zwei Gruppen zueinander ins Verhältnis setzt und dadurch die Bildgesetze seines Genres kommentiert. Das gelassene Handeln von Tucker und Dale führt zu einem konstanten Suspense-Effekt, weil jederzeit ersichtlich ist, zu welchen Fehldeutungen es die Teenager animieren wird. Dadurch verschiebt sich das Feind/Opfer-Schema (von dem die beiden in der ersten Hälfte ohnehin herzlich wenig bemerken) nicht erst in der sonst üblichen Selbstermächtigung gegenüber den Peinigern, sondern ist von Anfang an unter umgekehrten Vorzeichen manifest. Auch die Funktion der Bilder bleibt stets doppelt codiert. Jede noch so friedfertige Handlung von Tucker und Dale wird gegenteilig ausgelegt, woraufhin die Teenager so reagieren, wie es das Genre von ihnen verlangt. Und angesichts ihrer lückenhaften Beobachtungen kann man es ihnen nicht mal verdenken. Weil die Jugendlichen in ihrer angestammten Rolle bleiben und deswegen von ihnen die einzige Gefahr ausgeht, sind auch nur sie das Klischee. So legt der Film hochgradig komisch die Mechanismen der Angsterzeugung seines Genres, den fließenden Wechsel aus nötiger Dämonisierung und mitunter eben auch xenophobistischer Konstruktion des Fremden bloß und bricht auf herzlichste Weise eine Lanze für den verkannten Maniac. Wer sich das nicht vorstellen kann, schaue bitte selbst, wie beide Parteien unter der Leitung der frisch gebackenen Kommunikationswissenschaftlerin am runden Tisch dazu genötigt werden, im Gespräch eine Lösung für ihre Differenzen zu finden.