„The Green Hornet“ hat als vergessenes Relikt der Popkultur ein gewisses Kultpotential; ursprünglich eine Radioserie in den 30ern, wurden bald Comics produziert, 1966 gab es eine Fernsehserie, die für Bruce Lee den Durchbruch in der westlichen Welt bedeutete. Im Rahmen der zeitgenössischen Wiederverwertung alter Formate und der digitalen Blockbusterisierung von Superhelden öffnet nun Produzent Neal H. Moritz die Mottenkiste – und hat ein gewisses Problem: der europäische Markt ist nicht wirklich vertraut mit „Green Hornet“, also muss der französischstämmige Michel Gondry ran, und Christoph Waltz wird als Bösewicht engagiert. Und die Synchronisation versucht etwas holprig, den deutschsprachigen Markt zu öffnen: im Film gestaltet sich die Suche nach einem Namen für das neu in der Stadt aufgetauchte Phantom als schwierig, man kommt auf den catchy Namen Grüne Hornisse. „Ja, nicht schlecht. Aber so richtig Power hat es erst auf englisch: The Green Hornet“, heißt es dann, und das bringt eine Grundschwierigkeit auf den Punkt: nicht nur genießt The Green Hornet als Held nicht wirklich große Bekanntheit, auch gehört „hornet“ nicht zum Standard-Vokabular im hiesigen Schulenglisch. Muss also alles erstmal geklärt werden.
Das grundsätzlich Positive daran ist, dass man unter diesen Voraussetzungen bei Null anfangen kann. Dass also Seth Rogen das Drehbuch mitverfasst hat und die Titelrolle spielt, dass der träumerisch-schräg-versponnene Michel Gondry inszenieren darf: Das hat durchaus Potential für Großes, nämlich für eine unkonventionelle Herangehensweise ans Superhelden-Action-Genre. Rogens Humor, Gondrys visuelle Originalität und die Action-Blockbusteraffinität von Produzent Moritz („The Fast and the Furious“ und so) könnten sich gegenseitig befruchten. Wenn man sich einigen könnte, wer Blüte und wer Biene resp. Hornisse sein würde.
Und, nun ja: Sie passen eben doch nicht zusammen, auch, wenn sie sich in den ersten Szenen recht fröhlich und durchaus paarungsbereit umflattern: Seth Rogen als Britt Reid wird scharf charakterisiert, als hohlköpfiger Sohn eines großen Zeitungsmachers; Kato ist ein untergebutterter Diener, Automechaniker und Kaffeekocher mit unendlichen technischen Fähigkeiten und total coolem Potential. Und Gegenspieler Christoph Waltz hat als Chudnofsky – allzu schwierig auszusprechen – einen genialen ersten Auftritt: ein schnöseliger Junggangster (erkennt jemand den Gaststar?) hält ihm einen langen Vortrag über das richtige, coole Image des Schurken, über Chudnofskys doofen Anzug, über den korrekten Style des Bösewicht-Daseins und wie wenig gruslig der biedere Chudnofsky doch ist. Der pariert nicht nur mit seltsamem österreichisch-russischem Dialekt-Akzent, sondern auch mit einer zweiläufigen Pistole. Und bringt damit echtes Tarantino-Feeling in den Film.
Zu Anfang ist das wirklich cool. Und auch die Form der 3D-Präsentation passt dazu: das zweidimensional gefilmte Material wurde digital auf 3D hochgepusht, und zwar dermaßen schlecht … Nennen wir ruhig die Übeltäter: Grant Anderson und Rob Engle schaffen es, dass Personen durchsichtig erscheinen, dass sich an Bäumen Äste in 3D-Luft auflösen, sich eine Stretchlimousine bei der Fahrt um eine Kurve willkürlich streckt und zusammenzieht; als Seth Rogen, hingefläzt auf sein Bett, aufsteht, verkürzt sich die Perspektive, dass er wie ein Liliputaner aussieht!
Und das passt so gut in die ersten Minuten des Films, als er noch im Unentschieden schwebt, ob hier wirkliche Heldenaction oder deren subtile, subversive Zersetzung stattfindet. Gondry, der in seinen bisherigen Filmen seine handgemachten Trickeffekte wie perfekte CGIs hat aussehen lassen, scheint nun die digital errechneten Bilder in die handwerkliche Unvollkommenheit zu führen … Bis sich zeigt: Nein, es sind keine künstlerisch eingesetzten Makel, sondern echte Fehler. Und es stimmt, was im Presseheft steht: dass Gondrys hauptsächlicher Beitrag zu diesem Film das ist, womit er sich in einem kleinen Pitching-Video für den Job beworben hat: dass in einem Bild Zeitraffer und Zeitlupe zugleich stattfinden, dass in Kampfszenen der eine verlangsamt, der andere aber superschnell agiert. Nicht neu, aber immerhin mit einem eigenen Namen versehen: Kato-Vision, weil für den Sidekick/Partner von Britt Reid aka Green Hornet sich bei schnellem Herzschlag die Zeit verlangsamt, so dass er seine Gegner mit Muße im Kampf beobachten und blitzschnell attackieren kann. Mit dem filmischen Ergebnis, dass sich Zeit und Bewegung strecken und zusammenziehen wie falsch berechnete 3D-Gegenstände; schnell geschnitten im Übrigen, so dass die behauptete Coolness des Effekts schon wieder in der Montage begraben wird.
Kann sich Gondry nicht recht in die Blockbusterwelt einfinden, so fügen Rogen und Co-Autor Evan Goldberg mit ihrem Drehbuch ein höchst wackliges Fundament hinzu. Der Grundplot ist einfach und effektiv: Britt Reid, der gelangweilte, egomanische Playboy, wird mit dem Tod des Vaters zur Übernahme von dessen Zeitung und von Verantwortung gezwungen; agiert zudem, als Hobby, zusammen mit Kato als Green Hornet, als Bekämpfer des Bösen mit dem Clou, selbst als Bösewicht zu gelten; verhilft diesem Treiben per Schlagzeilen zu angemessener publizistischer Aufmerksamkeit; legt sich dabei mit Christoph Waltz an, buhlt um die hochgebildete Sekretärin Cameron Diaz, fühlt sich groß und stark und lässt alles von Kato erledigen: dolle Kampfautos bauen, Prügeln, Verfolgungsjagden.
Einerseits hebt sich Rogen, hebt sich die Handlung von üblichen Superhelden-Stories ab: Britt Reid ist ein aufgeblasener Egoist, unfähig, feige, nutzlos; durchaus also ein Gegenpol zu heldischen Weltenrettern. Doch andererseits fehlt in den Charakterisierungen, in den Figurenkonstellationen die richtige Balance, das Gespür für das richtige Timing und die pointierte Dramaturgie. Lange bevor der Film Reids Arschloch-Charakter zum Thema – zum dramatischen Konfliktstoff zwischen ihm und Kato – macht, fragt sich der Zuschauer, warum die Hauptfigur in diesem Plot eigentlich mitgeschleppt wird. Doch nicht etwa wegen der Personalunion von Darsteller und Autor?
Kato ist ein schlechterer Sidekick als der Cato aus den Clouseau-Filmen, vor allem, weil zwar Fäuste fliegen, aber keine Funken sprühen. Cameron Diaz als hochkompetente Untergebene und Lust- und Loveobjekt von Reid ist wunderbar, immerhin bietet sie ihm die verdiente Missachtung. Christoph Waltz-Szenen sind immer Höhepunkte, Eitelkeit, Unsicherheit, Willkür und Brutalität gehen bei ihm Hand in Hand. Die Actionsequenzen sind nicht schlecht; vor allem aber, wenn Chudnofsky dabei die Hand im Spiel hat und mit Baumaschinen eingreift. Das Finale kann mit ein paar schönen Szenen aufwarten, Schießereien in der Druckerei und in Redaktionsräumen; dafür fahren bei der großen Verfolgungsjagd die unbeteiligten Autos auf der Straßenseite allzu sichtlich lediglich im Schneckentempo. Was irgendwie bezeichnend ist für diesen Film, bei dem vieles einfach nicht zusammenpassen will.
Wer die Hornisse reizt, den sticht sie, heißt das ständige Bonmot im Film. Aber wo die Hornisse nicht reizt, da macht sie keinen Stich.