Ein Film, in dem ein alternder Jeff Bridges gegen sein jüngeres, digitalisiertes Selbst kämpft. Ein Film, dessen allgegenwärtiger, ziemlich brachialer Soundtrack (komponiert vom Elektroduo Daft Punk) die Instrumentierungen von Atari-Videospielen aufgreift auf und in dem Michael Sheen einen blondierten, exaltiert kostümierten Spacerock-Freak namens Zuse gibt. Ein Film, in dessen psychedelische Bildwelten man sich nie wirklich fallen lassen kann, weil hinter jeder Ecke eine neue Abstrusität auftaucht, deren Explikation ziemlich konsequent verweigert wird. 'Tron: Legacy' gehört fraglos zu den sonderbarsten Blockbustern der letzten Jahre. Ein Film, von dem man erst einmal nicht glauben kann, dass er unter marktwirtschaftlichen Kriterien eine solide Investition darstellt. Dass die Rechnung für Disney, wie das erfolgreiche Startwochenende in den USA andeutet, trotzdem mehr oder weniger aufgehen wird, dass eine düster glitzernde Monstrosität wie 'Tron: Legacy' also problemlos kulturindustriell anschlussfähig ist, zeigt ein weiteres Mal, dass Hollywood auch (vielleicht: gerade) in seinem kapitalintensivsten Segment nicht so einfach auf eine Formel zu bringen ist.
Nicht, dass der erste 'Tron'-Film, der allerdings immerhin mit dem fiesen “Master Control Program” und dem kongenial benannten egoistischen Programmierer Ed Dillinger zwei der besten Bösewichter der achtziger Jahre aufbieten konnte, rein narrativ betrachtet, besonders viel Sinn ergeben hätte. Aber er hatte immerhin einen genau definierbaren Bezugspunkt: Die erste, große Begeisterung für Computer und Digitalisierung in den frühen Achtzigern. Nicht nur fanden die stilisierten Neonwelten der Spielautomaten erstmals ihren Weg auf die Kinoleinwand, auch die “reale Welt” des Films, die größtenteils auf die Schachtelbüros der Programmierer reduziert wurde, emulierte binäre Prinzipien.
Was nun aber für 'Tron: Legacy' der referentielle Diskurs sein soll, bleibt weitgehend unklar. An die Allgegenwart digitaler Parallel- und Bilderwelten haben sich Welt und Kino längst gewöhnt. Und von der im Original noch wichtigen Forderung, dass Daten frei verfügbar zu sein haben, ist in der Neuauflage aus guten Gründen wenig übrig geblieben, genauso wenig wie von der strukturierenden Opposition Programm – User. Es wäre schließlich auch etwas allzu dreist, wenn ausgerechnet der Disneykonzern, dessen Lobbyarbeit immer wieder mit dafür sorgt, dass Urheberrechte weiter zementiert und ins schier Unendliche verlängert werden, sich noch einmal zum Sprachrohr der Informationsguerilla erklären würde.
'Tron: Legacy' spricht, 3D hin oder her (überhaupt zeigt der Film eindrücklich, dass Miriam Hansen gute Argumente hat, wenn sie die aktuelle 3D-Begeisterung Hollywoods als ein grundsätzlich nostalgisches Phänomen begreift), in keiner Weise mehr für oder über eine technologische Avantgarde. Eher geht es um einen sonderbaren Retro-Futurismus, der sich inzwischen nicht mehr an den kolonialistischen Fantasien Jules Vernes – der allerdings nicht ganz zufällig auch einmal kurz auftaucht – sondern an den achtziger Jahren festmacht. Um Zugang zum Paralleluniversum zu erhalten, muss die Hauptfigur Sam Flynn zunächst eine Halle voller alter Videospielautomaten passieren. Anschließend dockt er mittels klassischer MS-DOS-Eingabeaufforderung an die in dunkle, metallisch anmutende Farben getauchte Neonwelt an. Die schert sich nicht um Fotorealismus, sondern stellt ihre Künstlichkeit, darin unter den jüngeren Blockbustern eigentlich nur dem Wachowski-Film 'Speed Racer' vergleichbar, offensiv aus.
In dieser Zeitkapsel also spielt der größte Teil des Films. Sam Flynn, ein leider ziemlich uninteressanter Protagonist, der alles um ihn herum so “awesome” findet, wie es idealerweise auch der Zuschauer tun soll, begibt sich dort auf die Suche nach seinem vor Jahren verschwundenen Vater Kevin Flynn. Der, ein mittelgut, nämlich zum hippiesken Sprücheklopfer gealterter Jeff Bridges, hat sich mit einer digitalen Nymphe namens Quorra nach den Ereignissen des ersten Films in seine eigene digitale Enklave, eine Kunstwelt in der Kunstwelt zurückgezogen. Er lebt zwischen Artefakten des klassischen Kulturbürgertums – kunstfertig gebundene Bücher, Kronleuchter etc -, denen freilich die Patina des Historischen gründlich abhanden gekommen ist: In der Silberschale auf dem Wohnzimmertisch liegen golden glänzende Apfelimitate.
Aus recht komplizierten Gründen, die das Drehbuch erstaunlich ausführlich, aber dennoch in gebotener Wirrniss aufbereitet, hat sich in der Parallelwelt außerdem ein alternativer Jeff Bridges materialisiert und eingenistet. Einer, der seit dem ersten Film nicht gealtert ist und seine rein digitalen Gesichtszüge meist zu einem sardonischen Grinsen formt. Der falsche Bridges hat sich zum Herrscher der Neonwelt aufgeschwungen und plant aus dieser Position den Angriff der achtziger Jahre auf die übrige Zeit.
Zwar schwadroniert der “reale” Jeff Bridges einmal von der “digital frontier” als neuem Handlungshorizont menschlicher Existenz, im Grunde aber geht es in 'Tron: Legacy' gerade nicht mehr um eine Erweiterung der physikalischen Welt ins Immateriell-Digitale. Die künstlichen Welten funktionieren längst exklusorisch, eigengesetzlich. In 'Tron: Legacy' entspricht der antirealistischen Alptraumästhetik eine tendenziell faschistoide Privatmystik, die sich sozial über absurde sportliche Wettkämpfe und grafisch über den Terror der totalen Zentralperspektive organisiert.