Friedliche Koexistenz und ein reger Austausch bestimmen die Beziehungen zwischen den Mönchen des Klosters Notre-Dame de l’Atlas und der Bevölkerung des algerischen Dorfes Tibhirine. Gegenseitige Hilfe, Respekt und die Achtung vor dem Andersgläubigen sind im Zusammenleben zu einer schönen Selbstverständlichkeit geworden. Während die Menschen aus dem nahen Ort bei Feld- und Handwerksarbeiten helfen, praktizieren die Mönche tätige Nächstenliebe: Sie verteilen Kleider und Medikamente, leisten eine medizinische Grundversorgung, helfen bei behördlichen Korrespondenzen und beraten in Lebens- und Liebesfragen. Die Integration ist zu einer freiwilligen Verpflichtung geworden, zu einer Abhängigkeit, die auf Gegenseitigkeit beruht. Die Verantwortung für den Anderen wahrt bei aller Nähe aber auch den Abstand; das Eigene und das Fremde bleiben bestehen und ermöglichen gerade dadurch kulturelles Lernen.
Was Xavier Beauvois in langen Passagen am Beginn seines nach Tatsachen gedrehten, preisgekrönten Films „Von Menschen und Göttern“ („Des hommes et des dieux“) zeigt, lässt sich durchaus als gesellschaftliches Modell für ein interkulturelles Zusammenleben verstehen. Daneben und damit verbunden beschreibt er das Klosterleben mit seinen gegliederten Tagesabläufen als eine Ordnung, die durch Sammlung und Gesang, Gebet und Arbeit jene konzentrierte Kraft erzeugt, deren ein solches Miteinander bedarf. Die Ruhe und Stille der umgebenden weiten Berglandschaft bilden dazu einen natürlichen Resonanzraum. Die Verbundenheit mit Gott und der Natur, übersetzt in den Rhythmus des Lebens, wird hier körperlich sicht- und fühlbar.
Trotzdem erfährt das Gleichgewicht der Gemeinschaft eine empfindliche Störung, als sich Mitte der 1990er Jahre die Gewalt radikalislamistischer Terroristen auf dem Land ausbreitet und immer näher rückt. Beauvois deutet die politischen und militärischen Verflechtungen im bürgerkriegsähnlichen Konflikt nur an, um sich stattdessen auf den inneren Entscheidungsprozess der Klosterbrüder zu konzentrieren. Deren bewegendes Ringen um das richtige Verständnis ihres christlichen Auftrages und dabei vor allem um die Frage, ob es angemessener ist, das Kloster zu verlassen oder zu bleiben, entfaltet einen tiefen Gewissenskonflikt zwischen allen inneren und äußeren Fronten. Angst und politischer Druck, aber auch die Verantwortung gegenüber der Dorfgemeinschaft und der je eigenen Berufung führen schließlich zu einer Entscheidung, die sich – auch ikonographisch – zum Martyrium verdichtet und ihren Höhepunkt in einem bewegenden letzten Abendmahl erreicht. Im christlichen Heilsverständnis der Mönche vollzieht sich in dieser Ergebenheit zugleich ihre Neugeburt.