'Vom Nationalsozialismus geht bis heute eine merkwürdige Faszination aus. Was blieb, waren die Bilder – sehr sorgfältig inszenierte Bilder. In ihren Filmen schufen sie Visionen einer anderen, besseren Welt. Eine Welt der Ordnung, der Größe und des Ruhmes, eine Welt der ewigen Schönheit'. Mit dieser These eröffnet Doktorand Marcel Schwierin seinen Film, und selbstverständlich belegt er in einer sorgfältig montierten Bildfolge sein Faszinosum nationalsozialistischer Filmästhetik, seminarmäßig in Ordnung gebracht, beraten von den Profs, gefördert vom NDR. Selten Gezeigtes ist zu sehen. Wie die Juden Kühe schächten, ist immer noch unschön, sagt uns die Off-Stimme, und irgendwie hängt das mit dem 'Relativitätsjuden' Einstein und dem 'Ewigen Juden' überhaupt zusammen, und ebenso heißt das perfideste Hetzwerk der Nazis.
Der Autor will aber woanders hinaus, und wir wollen ihn zu Wort kommen lassen. 'Mein Vater ist Politologe, und von daher hatte ich eigentlich das Gefühl, dass sich alle Fragen zum Nationalsozialismus für mich beantwortet hätten. Aber ich hatte mir nie die Frage gestellt, welche positive Motivation Hitler hatte. Wo wollte dieser Mann eigentlich hin, wovon träumte er? Ich wollte wissen, wenn ich den Holocaust ausblende, wenn ich die Verbrechen ausblende, wieweit könnte ich dieser Faszination erliegen? Das war wie ein Selbstexperiment. Mir ging es auch darum, dass man die Bildsprache der Nationalsozialisten nachvollziehen kann. Wesentlichstes Merkmal ist sicherlich die Inszenierung des Realen. Dem Nationalsozialismus schwebte eine ideale Gesellschaft als Gesamtkunstwerk vor, in der alles auf das Schöne ausgerichtet war.'
Treffender kann man das nicht ausdrücken, wenn man das Ergebnis dieses Gesamtkunstwerkes von Film und Dissertationsprojekt betrachtet. Da hat einer die Nase voll von Vätern und Vergangenheitsbewältigern. Unsere jüngste Generation nimmt die Dinge selbst in die Hand und erkennt, so die Off-Stimme, dass es den Nationalsozialisten im Grunde nicht um die Juden ging, sondern um ein Antibild, die Welt in gut und böse aufzuteilen.
Zu solcher Einsicht kommt, für den die Welt mit Hitlers Filmen beginnt, die sich zum Ende 'eine Märchenwelt schaffen'. Statt den Antisemitismus der Nazis zu relativieren, wäre die Lektüre von Klaus Theweleits 'Männerphantasien' anzuraten gewesen. Das war auch eine Dissertation gewesen, aber sorry, eine von vor bald dreißig Jahren. Vätergeneration! Bewältiger! Nein, dann im Film lieber Unbewältigtes zitieren: Gottfried von zur Beek (Ludwig Müller), Die Geheimnisse der Weisen von Zion (1919).
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 05/2005